Neuss Wanderer zwischen Welten

Neuss · Ronny Jakubaschks Inszenierung der Komödie "Wie es euch gefällt" am RLT spielt in zwei Welten - die eine ist grau, die andere ist bunt.

 Vom Suchen und Finden der Liebe erzählt "Wie es euch gefällt" im RLT: Dafür müssen alle Figuren Rollen hinter sich lassen (v.l. Hergard Engert, Andreas Spaniol, Josia Krug, Anna Lisa Grebe, Christoph Bahr, Stefan Schleue, Johanna Freyja Iacono-Sembritzki, Michael Meichßner und Pablo Guaneme Pinilla).

Vom Suchen und Finden der Liebe erzählt "Wie es euch gefällt" im RLT: Dafür müssen alle Figuren Rollen hinter sich lassen (v.l. Hergard Engert, Andreas Spaniol, Josia Krug, Anna Lisa Grebe, Christoph Bahr, Stefan Schleue, Johanna Freyja Iacono-Sembritzki, Michael Meichßner und Pablo Guaneme Pinilla).

Foto: B. Hickmann

Ziemlich grau ist die Welt am Hofe des Herzogs. Und streng. Die Frauen tragen Kostüm, die Männer Anzug. Nur der Narr darf anders aussehen. Zumindest ein bisschen. Mit bunter Kappe samt Glöckchen und kurzer Hose zu Jackett und Krawatte trotzt er dem Dresscode dieser Gesellschaft, die vermutlich vor Langeweile einginge, wenn sie sich nicht Vergnügungen wie einen Ringkampf organisieren würde. Dumm nur, dass dieser etwas in Gang setzt, was die Welt dieser Gesellschaft auf den Kopf stellt, denn der geschmähte Orlando siegt über den prahlerischen und herzoglichen Favoriten Charles.

Danach findet sich nicht nur Orlando verbannt im Wald wieder. Auch Rosalind landet dort, mit Celia, die als Tochter des Herzogs der Freundin seit Kindestagen die Treue hält und sich damit gegen den despotischen Vater richtet. Und Orlandos zickiger Bruder Oliver.

Das geht in Ronny Jakubaschks Inszenierung der Shakespeare-Komödie "Wie es euch gefällt" am Rheinischen Landestheater (RLT) alles hoppla-hopp, wobei sich der Regisseur gleich zu Beginn schöne Szenen hat einfallen lassen: Der Ringkampf ist ein Tauziehen in Zeitlupe; Oliver, sich selbst als staatstragend am herzoglichen Hof begreifend, formt beim Schwadronieren die Merkel-Raute; jeder Auf- und Abtritt läuft in geölter Tür-auf/Tür-zu-Komik ab. Nur dass die Türen an Ringen hängende Vorhänge vor kleinen Kabinen sind, die beim Zuziehen nicht minder Krach machen und zudem von einem fröhlichen Ding-Dong begleitet werden. Die knackige Übersetzung von Thomas Brasch, das schnelle und überaus akzentuierte Spiel aller neun Darsteller tun ein übriges dazu, diese Bearbeitung schnell auf eine hohe Betriebstemperatur zu bringen und vor allem auch zu halten.

Ausstatterin Anna Sörensen hat die wunderbare Idee, dem Regisseur eine an ein Globe erinnernde Bühne zu bauen und mit den Kostümen die Wanderung dieser Figuren zwischen den Welten zu visualisieren.

Denn in der Verbannung, im Wald von Arden, herrscht pralles Leben. Orlando, Rosalind, Celia, Oliver - sie alle haben die graue Außenhaut abgeworfen und sich ihren neuen Rollen gemäß in bunte Kostüme geworfen. Rosalind, die nun als Junge namens Ganymed durchs Waldleben zieht, sieht ein bisschen aus wie Supermann. Orlando, der Rächer in eigener Sache und nach Rosalind sich Verschmachtender, ist eine Mischung aus Robin Hood und Green Arrow. Schäfer Silvius, der unglücklich in Phoebe verliebt ist, trägt eine Augenmaske wie Batman.

Was alles wirken könnte wie eine Verspottung der Shakespeare-Figuren, ist bei Jakubaschk jedoch dank präziser Eingriffe in Text und Figurenzeichnung sowie witziger und (selbst-)ironischer Ideen eine Hommage geworden. Er fokussiert das Stück auf die Gefühlswelt der Figuren, die nur im Wald, in dem alle Konventionen aufgehoben sind, ausgelebt werden kann. Für Feinheiten im Ablauf ist da zwar nicht viel Platz, und was allzu verwirrend ist, wird kurzerhand mit Musik (von Christoph Iacono) überspielt. Aber das funktioniert prächtig - vor allem auch, weil alle Mitglieder des Ensembles ihre Sache hervorragend machen.

Diese Menschen können natürlich nicht einfach so in ihre alte Welt zurückkehren. So holt Orlandos Reaktion auf die Verwandlung Ganymeds, der wieder zu Rosalind wird, plötzlich alle in die Realität zurück: Er gibt ihr eine Ohrfeige. Worauf eine wüste Keilerei einsetzt. Da braucht es schon eine Art deus ex machina, um zum guten Ende zu kommen. Wirkt etwas sehr aufgesetzt, doch was soll's. Dem flotten und witzigen Theaterabend schadet es auch nicht.

(hbm)
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