Neuss Weltklasse-Jazz in der Alten Post

Neuss · Neuss Sieben Konzerte an einem Abend - eigentlich ein künstlerischer Overkill: Die Neusser JazzSommernacht war eine Herausforderung, die das große Publikum mit beachtlicher Ausdauer angenommen hat. Schon zum Auftakt mit Achtklang war das Foyer der alten Post voll besetzt, und das sollte bis nach 23 Uhr auch so bleiben.

Bestens gelaunt und stimmsicher zeigte sich der Jazzchor, sang Standards und Songs zwischen Broadway und Lionel Richie. Begleitet wurden die acht Frauen von Pianist Thomas Mika, der anschließend mit seinem Trio sein Können unterstrich.

TRIOT nennt sich die junge Combo, in der noch Konstantin Kreiner am Bass und Rob Hanrath am Schlagzeug mitwirken. Die Band spielte unter anderem eigene, Fusion-orientierte Kompositionen und beeindruckte mit komplexen, starken Arrangements, die punktgenau und mit viel Drive präsentiert wurden. Kleines Manko allerdings ist der recht kleine improvisatorische Spielraum, da hätten die Musiker sicher noch einiges an Überraschungen parat gehabt.

Während dann im Café die feine, slawisch angehauchte Combo Kapelski mit selten zu hörender Jazzvioline Standards zelebrierte, brachten die Latin Sneakers das Foyer zum Jubeln. Die größte instrumentale Band des Abends bewegt sich zwischen Jazz, Pop und Latin, hat einen satten, vollen Sound, ist bestens aufeinander eingespielt und hat mit Drums und Perkussion ein starkes Kraftwerk im Rücken.

Sänger Johannes Palm zeigte sich stimmsicher und erntete wohlverdienten Applaus, auch wenn man sich hier ebenfalls mehr Freiraum für instrumentale Soli hätte wünschen können. Vor allem Gittarist Daniele Lucci spielte, dass man ihm endlos zuhören könnte.

Alexandra Naumann & Band, die mit kleiner, feiner Besetzung - nämlich Vibraphon und Percussion, Akkordeon und Kontrabass - Eigenkompositionen in geschmackvollen Arrangements präsentierte, überzeugten ebenso wie Andre Nendzas A.tronic mit Anne Hartkamp als Gesangssolistin.

Doch erst nach 23 Uhr kam der späte Höhepunkt des Abends: Den Ruf, der Thomas Rückert vorauseilt, hat er binnen weniger Töne eingeholt. Mit welcher handwerklichen Leichtigkeit und musikalischen Intensität Rückert selbst ein vermeintlich einfaches Begleitmotiv spielt, lässt staunen.

Spielt er "inside", also hält er sich an harmonische Konventionen, breitet er eine üppige Palette geschickt kombinierter Akkorde aus, fernab von Klischees und mit einem einzigartigen Spürsinn für Klangfarben. Dazu kommt eine virtuose, unabhängige linke Hand, mit der er spannende polyphone Strukturen schafft. Noch spannender ist aber, wie fließend und selbstverständlich er mit der Hörerwartung bricht, mit Dissonanzen spielt, Akzente versetzt.

Das im Duo unterzubringen, ohne sich zu verzetteln oder den Mitspieler zu verwirren, ist große Kunst. Johannes Lemke steht seinem Pianisten aber auch in nichts nach, der Altsaxophonist hat einen unverwüstlichen Puls, einen sonoren, ausdrucksstarken Sound und ein selten gehörtes Legato, mit dem er Phrasen scheinbar daher spielt, die originell, unaufdringlich und logisch sind.

Wie auch immer Philipp van Endert es geschafft haben mag, diese beiden Weltklassemusiker nach Neuss zu zitieren - man kann ihm nur danken.

(NGZ)
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