Neuss Wenn Auszubildende auf der Kinderstation das Sagen haben

Neuss · Die Arbeit mit kranken Menschen ist eine Aufgabe, die viel Verantwortungsbewusstsein verlangt - gefühlt noch umso mehr, wenn es um Kinder geht. Vier Wochen lang leiten die Kinderkrankenpflege-Schüler am Lukaskrankenhaus eine Station.

 Dean Shams und Luisa Tausendfreund dosieren auch Medikamente - diese Aufgabe wird sonst vom Schwesternteam unter Alice Hüting übernommen.

Dean Shams und Luisa Tausendfreund dosieren auch Medikamente - diese Aufgabe wird sonst vom Schwesternteam unter Alice Hüting übernommen.

Foto: woi

In einem knapp vierwöchigen Experiment spüren das derzeit die sieben auszubildenden Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger auf der Kinderstation des Lukaskrankenhauses. Kurz vor dem Ende ihrer Ausbildung werden sie ins kalte Wasser geworfen: Sie leiten die Station, übernehmen die regelmäßigen Visiten, verabreichen Medikamente und kümmern sich um die kleinen Patienten, die neu ankommen oder entlassen werden. Beaufsichtigt werden sie dabei von examinierten Schwestern und Pflegern, die halten sich aber wo immer es geht im Hintergrund.

Luisa Tausendfreund ist bis zum 3. Mai gemeinsam mit Anna Lena Hengstebeck die Stationsleiterin. Für sie und die sechs anderen Auszubildenden im letzten Lehrjahr besteht die Herausforderung des Projekts vor allem im Rollenwechsel. "Als Schüler etwas zu delegieren war anfangs schon sehr komisch", sagt Tausendfreund. Für die 20-Jährige war es vollkommen neu, Aufgaben abzugeben, die sie zweieinhalb Jahre lang selbst erledigt hatte. Dazu gehöre nicht nur das Betten beziehen: "Wenn wir merken, dass es einem Kind bei der Visite schlechter geht, rufen wir sofort einen Arzt", sagt die Auszubildende. "Wir haben dadurch schon mit Ärzten aller Fachbereiche telefoniert."

Die Eltern der jungen Patienten werden durch das Klinikpersonal über das Azubi-Projekt informiert, Flyer auf den Zimmern versichern, dass der Tagesablauf und die pflegerische und medizinische Versorgung unverändert bleibt. Sicherstellen sollen das die hauptamtlichen Praxisanleiter der Klinik. Unter ihnen sind auch Julia Krumscheid und Veikko Marr. "Als Schüler mussten sie vor allem reagieren, die Aufgaben wurden ihnen gegeben", sagt Marr. "Jetzt müssen sie agieren." Für die Zeit des Projektes müssen sich die Azubis selbst organisieren, kontrollieren, und dürfen bei alledem den Überblick über die wichtigsten Pflichten nicht verlieren. "Wir sind nicht bei jeder Tätigkeit dabei, haben aber vor jedem Einsatz abgesprochen, was die Pflegeschüler dürfen, und was nicht", sagt der 48-jährige Marr.

Bislang seien die Rückmeldungen der Eltern immer positiv ausgefallen. Ein Umfragebogen, den die Azubis mit den Müttern und Vätern der kleinen Patienten ausfüllen, soll am Ende zeigen, wie erfolgreich der Einsatz der nahezu ausgelernten Schüler war. "Wenn es so gut weitergeht wie bisher, dann könnte es auch im kommenden Jahr so ein Projekt geben", sagt Krankenhaus-Sprecherin Ulla Dahmen. Als Vorbereitung für die Abschlussprüfungen im Herbst seien die Wochen bestens geeignet, in denen die Auszubildenden auch schon etwas von der Verantwortung spüren, der sonst hauptsächlich auf den Schultern der Schwestern lastet.

Für die Azubis hat die Zeit, in der sie auch Spätschichten und Schulferien aus der Sicht examinierter Krankenhausmitarbeiter kennenlernen, auch einen interessanten Nebeneffekt: "Ich habe die Patienten auf der Station viel besser kennengelernt, als ich es sonst gekonnt hätte", sagt Dean Shams, der einzige männliche Pflege-Azubi in der Gruppe. Für den 23-Jährigen sei es nicht leicht gewesen, sich gegenüber den älteren Kollegen durchzusetzen, wenn es darum ging, wie sie die Aufgaben erledigen sollten: "Dafür habe ich aber auch viel von ihnen gelernt", betont Shams.

Seine Kollegin Anna Lena Hengstebeck habe zu Beginn vor allem Angst gehabt, etwas zu vergessen - besonders kritisch wäre das bei der Medikamentierung: "Vorher waren dafür ja immer die examinierten Schwestern zuständig", sagt Hengstebeck. Mit der zunehmenden Verantwortung seien aber auch ihre Fähigkeiten gewachsen, erzählt sie: "Man kann jeden Tag ein bisschen mehr." Praxisanleiterin Julia Krumscheid ist von der Leistung der Azubis überzeugt: "Schwierigkeiten hatten sie nur bei absolut chaotischen Diensten", sagt die 28-Jährige. "Wir wurden aber immer wieder davon überrascht, was sie können."

(bur)
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