Sozialdienst Katholischer Männer Neuss Wenn Frauen ihre Männer schlagen

Neuss · Wenn es um körperliche Übergriffe in Beziehungen geht, sehen die meisten Menschen den Mann in der Rolle des Täters. Dass es auch andersrum sein kann, weiß Franz Beering-Katthagen, Geschäftsführer des Sozialdienstes Katholischer Männer Neuss.

In der vergangenen Woche hat eine Frau in Holzheim auf ihren Lebensgefährten eingestochen. Anwohner berichteten, es sei nicht der erste Übergriff dieser Art bei dem Paar gewesen. Kommt so etwas in Neuss häufiger vor oder ist es in dieser Extreme ein Einzelfall?

Franz Beering-Katthagen: Für Neuss kann man sagen, dass es in dieser Form ein Einzelfall gewesen ist. Das heißt aber nicht, dass es hier keine Übergriffe von Frauen auf Männer gibt. Die hat es immer schon gegeben, aber wir sind jetzt gerade soweit, dass diese Problematik auch bekannt wird. Es gibt sogar Zahlen, die besagen, dass ungefähr gleich viele Männer von Gewalt in Beziehungen betroffen sind wie Frauen. Deren Seriosität kann jedoch nicht nachgewiesen werden. Die Dunkelziffer ist aber hoch. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Verletzungen nach körperlichen Auseinandersetzungen bei Frauen massiver sind als bei Männern.

Woran liegt das?

Beering-Katthagen: Es besteht nach wie vor das Problem, dass Männer sich nicht trauen, Gewaltübergriffe von Frauen zur Anzeige zu bringen, weil sie Angst haben, nicht ernst genommen oder gar ausgelacht zu werden. Ich habe Fälle erlebt, bei denen der Mann als Opfer die Polizei rief und die Beamten ihn dann an Stelle der Frau mitgenommen haben. Das klassische Rollenbild des "starken Geschlechtes" steckt einfach noch in den Köpfen. Wenn es dann zu einem Übergriff kommt, dann muss man Schwäche eingestehen. Aus diesem Grund melden sich auch so wenige Männer bei uns.

Wie versuchen Sie, das Thema zu enttabuisieren?

Beering-Katthagen: Das ist noch ein langer Weg. Mittlerweile haben wir aber die Situation, dass Frauenberatungsstellen sich geöffnet haben, um mit Täterinnen zu arbeiten. Da verändert sich langsam etwas. Vor zwei, drei Jahren haben wir überlegt, mit Düsseldorf eine Gruppe für Täterinnen ins Leben zu rufen. Aufgrund von mangelnder Nachfrage wurde die Idee aber nicht umgesetzt. Da die Aggression in vielen Fällen von beiden Geschlechtern ausgeht, könnten Paargespräche in Zukunft eine Option sein. Die Fachwelt setzt sich jedenfalls mit dem Thema auseinander - und das ist ein Anfang.

Schlägt eine Frau ihren Mann aus den gleichen Gründen, wie ein Mann seine Frau?

Beering-Katthagen: Man kann die Programme, die für Täter angeboten werden, nicht eins zu eins auf Täterinnen übertragen, weil sie einfach andere Beweggründe haben und dort andere Gewaltstrukturen vorherrschen. Da muss eine eigene Strategie entwickelt werden.

Was raten Sie einem Mann, der Opfer von häuslicher Gewalt geworden ist?

Beering-Katthagen: In dem Beratungsgespräch geht es zunächst einmal darum, dass der Mann seine Probleme schildern kann und ernst genommen wird - bei uns müssen Männer keine Überzeugungsarbeit leisten. Dann versuchen wir, mit ihm gemeinsam eine Lösung zu finden, was er verändern kann.

(NGZ)
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