Neuss Wenn Helena auf Falstaff trifft

Neuss · Bei der Impro-Oper "La Triviata" war das Publikum des Shakespeare-Festivals mit von der Partie. Mit seinen Stichworten schuf es Szenarien für die Sänger.

Neuss: Wenn Helena auf Falstaff trifft
Foto: Christoph Krey

Von wegen Verdi: Opern erschaffen kann doch jeder. Oder? Den Beweis trat das Ensemble der Impro-Oper "La Triviata" aus München mit dem Publikum beim Shakespeare-Festival an. Text und Musik entstanden an diesem Abend so spontan wie das Bühnenbild, das es nur in der Fantasie gab: auf Zurufe aus dem Publikum von den Sängern mit Worten und Tönen kreiert. "Wir suchen die Wahrheit hinter den Figuren, das ist ein bisschen wie bei Shakespeare", meinte "La Triviata"-Mitbegründer Andreas Wolf, der die Techniken des Improvisationstheaters auf das Genre der Oper übertrug. Schnell Ideen für Stücke oder Charaktere zu entwickeln und in den Saal zu rufen, das mussten die Neusser nicht groß üben. Es hagelte gleich Vorschläge für die erste Szene, in der das Thema "Haarausfall" von jedem der auftretenden Akteure in einer anderen Stimmung dargestellt werden sollte - von Erregung über Wut bis zur Gelassenheit.

Im Sekundentempo überlegten sich Verena Barth (Sopran), Maria Helgath (Mezzosopran), Andreas Dellert (Tenor) und Andreas Wolf (Bariton) dazu passende Arien, die Klänge lieferte Michael Armann am Klavier. Das amüsierte ebenso wie das darauf folgende erste Stück: ein Picknick am Rhein, dessen Teilnehmer sich die Shakespeare-Kenner aussuchen durften. So traf denn Helena aus dem "Sommernachtstraum" auf Hamlet, Beatrice ("Viel Lärm um nichts") und Sir John Falstaff ("Die lustigen Weiber von Windsor"). Klamaukig ging es gleich zu, als Andreas Dellert in der Rolle des melancholischen Hamlet zu singen anhob: "Picknick ja oder nein?"

Nach der Pause stieg die Spannung, weil jeder aus dem Publikum einen Satz auf einen Zettel schreiben und auf die Bühne legen sollte. "Das ist unser Libretto", kündigten die Ensemblemitglieder an und spielten auf Geheiß der Zuschauer das Zusammentreffen von Bald-Ex-Fifa-Chef Sepp Blatter mit Silvia Neid, Bundestrainerin der Frauen-Nationalmannschaft. Souverän meisterten sie die Herausforderung, passende und unpassende Sätze (auch mit vielen Shakespeare-Zitate) von den Zetteln abzulesen und einzuflechten. Was dazu führte, dass Andreas Wolf in der Rolle des Sepp Blatter zur Strafe für seine Untaten eine Hecke schneiden musste.

So lustig hätte es weiter gehen können - doch leider durfte das Publikum für die darauf folgende Oper in drei Akten nur den Titel "Der gefälschte Parkzettel" aussuchen. Danach übernahm Andreas Wolf die Regie, entwarf Szenarien und positionierte die anderen Ensemblemitglieder, wie es ihm gerade einfiel. Weil die Geschichte jedoch dünn blieb, wurde das bald langweilig und im Saal wartete man auf die nächste Gelegenheit, sich zu beteiligen. Sie kam deutlich zu spät, nämlich erst zur Zugabe.

So bleibt nach dem temporeichen, witzigen Start ein fader Nachgeschmack und die Frage, warum sich Improvisation auf ein Genre beschränken muss. Hätte "Der gefälschte Parkzettel" nicht einfach als Musical, als Drama oder Komödie weitergeführt werden können? Auch hätte man die Handlung von jetzt auf gleich an einen anderen Ort mit einer neuen Stimmung verlegen können. Dazu hätte das Publikum sicher gern Texte und Vorschläge geliefert - und es hätte, wie in anderen Impro-Theatern üblich - sicher auch gern ein Urteil dazu abgegeben, welche Szene der Impro-Oper ihm besonders gut gefiel.

(NGZ)
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