Neuss Wenn Jugendliche zu wenig essen

Neuss · Caritas bietet erstmals Workshop für Eltern von Kindern mit Essstörungen an.

Sie essen zu viel oder gar nicht: Jedes dritte Mädchen und mehr als jeder zehnte Junge zwischen 14 und 17 Jahren entwickelt Symptome einer Essstörung. Sobald Jugendliche unter Magersucht, Bulimie oder Adipositas leiden, ist meist die gesamte Familie betroffen. Themen wie Gewicht, Figur, Kalorien und Essen werden schnell zum Konfliktherd. Gefühle und Ängste der Eltern bleiben dabei häufig auf der Strecke.

Mit dem Elternprogramm "Was zählt?! Gemeinsam Wege aus der Essstörung finden" bietet die Caritas in Zusammenarbeit mit der Werkstatt Lebenshunger ab Mittwoch, 17. Mai, erstmals einen Workshop für Mütter und Väter an, deren Kinder unter Essstörungen leiden. Treffpunkt ist ab 19 Uhr die Fachambulanz der Caritas-Sozialdienste, Rheydter Straße 176. Anmeldung unter 02131 889170.

"Prävention, aber auch die Arbeit mit gefährdeten oder bereits an einer Essstörung erkrankten Jugendlichen funktioniert nicht ohne Mithilfe der Eltern", sagt Stephanie Lahusen. Die Musiktherapeutin hatte 2007 mit fünf betroffenen Mädchen die Ausstellung "Klang meines Körpers" entwickelt. Später wurde sie um eine Jungen-Sicht ergänzt.

Psychische Probleme, Identitätsfindung, extreme Gefühle, Leistungsdruck, aber auch Lösungsansätze für Auswege aus der Essstörung werden auf kreative Art thematisiert. Die Ausstellung, die deutschlandweit schon in vielen Orten gezeigt worden ist, ist seit 2009 fester Bestandteil in der Präventionsarbeit der Caritas-Fachambulanz und war schon in mehreren Schulen im Rhein-Kreis zu sehen. "Es ist keine selbsterklärende Ausstellung", sagt Lahusen. "Zu Beginn werden Schulsozialarbeiter und Lehrer für die Arbeit mit ihr geschult."

Bei Elternabenden zu dieser Ausstellung machte Andrea Groß-Reuter, Sucht- und Familientherapeutin bei der Caritas, die Erfahrung, dass Eltern von essgestörten Jugendlichen mit ihren Sorgen zu wenig Beachtung finden. "Daher haben wir die Ausstellung um ein Elternmodul erweitert", erklärt sie. Gefördert wird das Projekt vom Landesgesundheitsministerium, der AOK Rheinland/Hamburg sowie dem Rhein-Kreis Neuss.

Eltern, die nicht mehr an ihr Kind "rankommen", die hilflos sind mit dieser Sucht, die lernen wollen, einen anderen Alltag zu entwickeln und die mehr über diese Erkrankung erfahren wollen, können sich zu dem Seminar anmelden. An fünf Abenden stehen Themen wie problematisches Essverhalten, Pubertät, Umgang mit Essstörungen sowie der Austausch betroffener Eltern im Mittelpunkt. "Auch Eltern, die ein verändertes Essverhalten ihres Kindes oder auffällige Gewichtsabnahme feststellen, sprechen wir an", so Groß-Reuter. "Denn sobald Eltern beginnen, sich Sorgen zu machen, haben sie Beratungsbedarf."

Das Projekt "Was zählt?!" wurde gemeinsam mit Angehörigen, pädagogischen und therapeutischen Fachkräften erarbeitet. Die Perspektive betroffener Mütter und Väter steht im Vordergrund. Spielerisch sollen sie sich aber auch mit gesellschaftlichen Phänomenen unserer Zeit wie Leistungsdruck, Perfektionismus, Einsamkeit und Schönheitsidealen auseinandersetzen und eigenen Wünschen und Werten nachspüren. "Wir wollen vor allem kreative Wege zur Vorbeugung und zum Umgang mit Essstörungen aufzeigen", sagt Lahusen.

(BroerB)
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