Neuss Whitesell-Insolvenz trifft 300 Mitarbeiter

Neuss · Die Neusser Schraubenfabrik ist zum dritten Mal in fünf Jahren zahlungsunfähig. Der US-Konzern spaltete das Sachvermögen ab und stellte nach nur einem Jahr Betrieb Insolvenzantrag für seine deutsche Tochter.

 Der US-Investor hat nach Überzeugung der Arbeitnehmervertreter wie eine Heuschrecke agiert. Ein Jahr schöpfte er maximale Gewinne bei der Schraubenfabrik ab, jetzt meldete er wegen Zahlungsunfähigkeit Insolvenz an.

Der US-Investor hat nach Überzeugung der Arbeitnehmervertreter wie eine Heuschrecke agiert. Ein Jahr schöpfte er maximale Gewinne bei der Schraubenfabrik ab, jetzt meldete er wegen Zahlungsunfähigkeit Insolvenz an.

Foto: Küfen

Die schlimmsten Befürchtungen von Betriebsrat und Gewerkschaft sind wahr geworden: Der Automobilzulieferer Whitesell hat wegen Zahlungsunfähigkeit am Dienstagnachmittag Insolvenzantrag für die vier Werke seiner deutschen Unternehmensgruppe gestellt. Die Gehälter, die am Mittwoch auf den Konten der bundesweit etwa 1300 Mitarbeiter hätten sein sollen, blieben aus. Whitesell hatte die Werke erst im Januar 2014 übernommen - aus einer Insolvenz.

Ob und wie es weitergehen könnte, will der Düsseldorfer Rechtsanwalt Biner Bähr heute Mittag in einer Betriebsversammlung vor den 300 Mitarbeitern des Neusser Werks darlegen, das Sitz der Whitesell Germany GmbH ist. Er wurde noch am Dienstag vom Gericht zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und versuchte gestern, sich einen Überblick über die wirtschaftliche Lage der Gruppe zu verschaffen. "Vor allem wird es darauf ankommen, ob und inwieweit die Kunden künftig Aufträge platzieren", sagte Bähr.

Einfach wird das nach Überzeugung der Arbeitnehmervertreter nicht. Der Betriebsrat spricht in einer schriftlichen Stellungnahme von ruinösem Geschäftsgebaren des US-Investors und einem in der Folge "massenhaften Abbruch von Geschäftsbeziehungen durch Kunden". Die seien mit Lieferstopps unter Druck gesetzt worden, um zum Teil enorme Preisaufschläge durchzusetzen. "Im Ergebnis besteht für uns kein Zweifel", stellt der Neusser Betriebsratsvorsitzende Karlheinz Salzburg fest, "dass der Geschäftsbetrieb durch Whitesell von Anfang an mit dem ausschließlichen Ziel erworben wurde, kurzfristig Maximalgewinne abzuschöpfen und den Standort danach stillzulegen."

In dieses Bild eines "Heuschrecken"-Investors passt, dass sich der US-Konzern weder dazu bewegen ließ, die deutschen Werke zu verkaufen, noch als Arbeitgeber Abfederungsmaßnahmen wie die Beantragung von Kurzarbeit erwogen habe, als die Aufträge ausblieben.

Statt dessen wurde knapp sechs Monate nach Übernahme der Werke eine Restrukturierung angekündigt, an deren Ende die Halbierung der Mitarbeiterzahl und die Schließung des Neusser Werkes stehen sollten. Gegen den Versuch von Whitesell, sich ohne Sozialplan aus der Affäre zu ziehen, wehrten sich Gewerkschaft und Betriebsrat mit Anrufung des Arbeitsgerichtes erfolgreich. Whitesell legte Beschwerde gegen den Gerichtsbeschluss ein, über den am 18. Februar vor dem Landesarbeitsgericht hätte verhandelt werden sollen.

Trotzdem kündigte Whitesell der Arbeitsagentur jetzt eine Massenentlassung für Neuss an, sprach die 250 Kündigungen aber nicht aus. "Da ahnten wir schon nichts Gutes", sagt Nihat Öztürk, der erste Bevollmächtigte der IG Metall.

Er fand seine Ahnung am Dienstag um 15.30 Uhr bestätigt, als Whitesell Insolvenzantrag stellte. Davon ist "nur" die GmbH betroffen, bei der die Mitarbeiter beschäftigt sind. Das Sachvermögen wie die Immobilien einerseits und die Maschinen andererseits wurde abgespalten und auf Firmen in Luxemburg übertragen. Wegen dieser "Verstrickung mit anderen Holdings", so Salzburg, wird ein Verkauf kaum möglich sein. Für den Insolvenzverwalter kommt erschwerend hinzu, dass er nur zwei Monate Zeit hat, um eine Lösung zu finden. Denn die Arbeitsagentur, die nun für die Januargehälter gerade stehen muss, zahlt nur drei Mal Konkursausfallgeld.

(NGZ)
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