Schwerpunkt 40 Jahre Pierburg-Streik Wie die NGZ vor 40 Jahren über den Streik berichtete

Der Streik der Pierburg-Arbeiterinnen beschäftigte im Jahr 1973 diverse Medien – natürlich auch die "Heimatzeitung" NGZ, die es damals für 30 Pfennig am Kiosk zu kaufen gab. Der Blick ins Archiv an der Neusser Moselstraße zeigt: Sowohl im lokalen als auch im überregionalen Teil hat unsere Zeitung damals ausführlich berichtet, allerdings stets aus der Distanz.

Wirklich vor Ort ist während der Streiktage einzig und allein der langjährige NGZ-Fotograf Michael Reuter. Seine Bilder zeigen, wie Frauen von der Polizei bedrängt werden oder wie sie per Megafon ihre Lohnforderungen ausrufen. Die Artikel im Lokalteil geben Pressemitteilungen von Pierburg, der Polizei und der Gewerkschaft wider. Analytisch nähert sich die Neusser Redaktion dem Ereignis, meist ohne Partei zu ergreifen.

Stellung bezieht die Zeitung, als sie von der Gewalt erfährt, die einer griechischen Vertrauensfrau der IG Metall von der Polizei angetan wird. Sie sei "mit blauen und schwarzen Malen übersät" vom Verhör zurückgekehrt. Dies seien "Vorfälle, von denen man geneigt war, anzunehmen, dass sie der Vergangenheit angehören", kritisiert die NGZ am 15. August 1973. Drei Tage später, am 18. August, berichtet die NGZ unter dem Titel "Zeugen gegen den Neusser Polizeichef" weiter über den Fall. Auch dokumentieren die Redakteure, wie Firmenchef Alfred Pierburg damals versucht, die Streikenden als "von außen gesteuert" dazustellen. "Wir glauben, dass dieser Streik auch als Mittel zur politischen Beunruhigung unserer Bevölkerung benutzt wurde", sagt er. Seine Verschwörungstheorie: Er glaube nicht an Zufall, weder was die Wahl der Firma, noch den Streitpunkt des Streiks angehe. Zudem seien "Extremisten" der verbotenen KPD vor Ort gewesen. Alfred Pierburg ist es auch, der die Rolle der Frauen bei dem Streit negiert. Die Lohngruppe 2 sei keine "primäre Ursache" des Streiks gewesen, gibt er zu Protokoll, vielmehr seien die Impulse "von außen" gekommen. Dieser Argumentation widerspricht die Gewerkschaft vehement.

Während der Streiktage erscheint nur ein Kommentar. "Die Sitten im Arbeitskampf verwildern", so die NGZ. Sie nutzt die Gelegenheit, um die Gewerkschaften zu kritisieren. Zu SPD-nah seien die, der Kontakt zur Basis verkümmere. Davon dass Frauen, dazu noch Migrantinnen, um ihre Rechte kämpfen, ist nicht die Rede. Die NGZ glaubt vielmehr, nun hätten an der Basis "jugendliche Sektierer" das Sagen.

(hko)
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