Neuss Wie junge Neusser ihre Stadt sehen

Neuss · Die "Wunschstadt" auf dem Vorplatz der Alten Post ist fertig. Acht- bis Zwölfjährige haben sie gebaut und bringen ihre Anregungen und Kritik direkt beim obersten Stadtplaner an. Dezernent Hölters hat sich die Stadt aus Ton angeschaut.

 Planungsdezernent Christoph Hölters (5.v.r.) und der Vorsitzende des Fördervereins der Alten Post, Ron Brinitzer (7.v.r) waren gestern Gast in der "Wunschstadt" von 30 Kindern. Das Projekt der Alten Post unter anderem mit Künstler Heribert Münch (5. v.l.) geht heute zu Ende.

Planungsdezernent Christoph Hölters (5.v.r.) und der Vorsitzende des Fördervereins der Alten Post, Ron Brinitzer (7.v.r) waren gestern Gast in der "Wunschstadt" von 30 Kindern. Das Projekt der Alten Post unter anderem mit Künstler Heribert Münch (5. v.l.) geht heute zu Ende.

Foto: Woi

Mittags in der Innenstadt. Der Platz liegt in der Sonne. Es ist heiß. Sehr heiß. Aber Planungsdezernent Christoph Hölters trägt Anzug. Seine Gesprächspartner hingegen tanzen Limbo unter dem Sprüh-Strahl aus dem Wasserschlauch und sind entschieden lockerer gekleidet. Mit Sandalen, Shorts und T-Shirts, das eine oder andere weibliche Teammitglied trägt eine Bluse. Mag Hölters auch den dringenden Wunsch verspüren, es ihnen gleichzutun: Nur kurzfristig legt er das Jackett ab - nachdem er schon eine gute Viertelstunde lang in praller Sonne Rede und Antwort gestanden hat.

Dass dem Dezernenten die Schweißperlen auf die Stirn treten, hat also nur mit den Temperaturen zu tun. Nicht mit seinen Gesprächspartnern, obwohl sie ihm viele Anregungen wie Kritikpunkte entgegenbringen. Zwischen acht und zwölf Jahre sind die Kinder alt, die in den vergangenen vier Tagen auf dem Vorplatz der Alten Post ihre "Wunschstadt" gebaut haben und nun dem obersten Stadtplaner zeigen und sagen wollen, wie und warum die so aussieht. Mit Bergen und Seilbahn, mit einem See, mit Zoo, mit Kirche und Friedhof, mit Krankenhaus und Feuerwehr, mit Spiel- und Sportplätzen. Gewohnt wird überall dazwischen und gearbeitet auch. Dafür wurde auch eine Fabrik in den riesigen Sandkasten gesetzt. Nur eine Schule fehlt: "Ist nicht so wichtig", sagen die Kinderarchitekten und lachen.

Hölters lässt sich alles erklären, schmunzelt über die drei Helikopter-Plätze, aber zieht dann auch das Fazit: "Ich glaube, ihr baut für das, was ihr in den Sommerferien gerne machen möchtet." Allgemeines Nicken. Aber die Kinder haben nicht nur Spaß am Bauen und Planen, sondern auch vorher genau beredet, was eine Stadt, in der sie gerne leben wollen, ausmachen soll.

Die "Wunschstadt" ist ein längst eingeführtes Projekt des Fördervereins der Alten Post, wird von den Künstlern Heribert Münch (Maler und Bildhauer) und Sibyll Rautenberg (Künstlerin, Medien- und Tanzpädagogin) mit Hilfe von drei Assistentinnen geleitet. Kira (10) hat es in diesem Jahr endlich geschafft, zu den 30 Kindern zu gehören, die an der "Wunschstadt" mitbauen dürfen. Dafür hat ihre Mutter sie aber auch schon vor zwei Monaten angemeldet. Am besten gefällt ihr die Arbeit mit dem Ton. "Man kann alles mit ihm machen", sagt sie.

Sie und die anderen 29 Kinder haben damit so viel gebaut, dass nicht nur Hölters, sondern auch der Fördervereinsvorsitzende Ron Brinitzer sichtbar begeistert und beeindruckt ist. Beide nehmen die Ausführungen der Kinder ernst, hören konzentriert zu, wenn Simon (12), Sophie (19), Jakob (9), Chiara (10) und Paul (11) für alle anderen als Sprecher erzählen, was bei ihren Befragungen untereinander zu Wünschen und Kritik an Stadtplanung herausgekommen ist. Der Leerstand in der Büchel- und der Quirinuspassage gefällt ihnen zum Beispiel nicht, das viele Grün hingegen schon. Obwohl: Ein paar Bäume mehr und eine Minigolf-Anlage in der Innenstadt könnte es schon geben.

Hölters Ermunterung an die jungen Architekten, bei der Planung zu bleiben und vielleicht sogar eines Tages bei ihm im Amt ein Praktikum zu machen, kommt gut an. Man sieht es in manchem Kopf schon rattern, denn die Kinder spüren, dass die Erwachsenen sie ernst nehmen. Auch im Ablehnen von Ideen. Als etwa der Vorschlag kommt, eine unterirdische Geschäftsmeile in Neuss zu schaffen, setzen sie den Kindern genau auseinander, warum das nicht klappt, fügen Beispiele an und erweitern: "Mit Straßen kann man das dagegen sehr gut machen."

Die Begeisterung der Kinder über ihre "Wunschstadt" nimmt Brinitzer mit in den Förderverein: "Das ist doch eine wichtige Botschaft für das nächste Jahr", sagt er.

(NGZ)
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