Neuss Wo die Werhahns früher Kaffee tranken

Neuss · Mitten in der Stadt - aber gut versteckt - steht ein alter Gartenpavillon. Er steht unter Denkmalschutz, soll aber einem Kita-Neubau weichen.

 Wohl um das Jahr 1905 versammelte Peter Werhahn (4.v.r.) seine große Familie an der Kaffeetafel im Pavillon. Der steht jetzt unter Denkmalschutz

Wohl um das Jahr 1905 versammelte Peter Werhahn (4.v.r.) seine große Familie an der Kaffeetafel im Pavillon. Der steht jetzt unter Denkmalschutz

Foto: Privat/R. Hoppe

Von einer Dachterrasse an der Hafenstraße fällt der Blick auf ein unberührt scheinendes Stück Neuss. Disteln, Brombeersträucher, Brennnesseln und andere Wildkräuter wuchern zwischen den Häuserzeilen der Hafen-, Salz- und Königstraße. Mittendrin: ein Pavillon wie ein verwunschenes Gartenschlösschen - Zeuge von geselligem Familienleben Anfang bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Inzwischen ein Baudenkmal, ist das Gebäude am heutigen Standort bedroht. Denn die Fläche gehört dem Lukaskrankenhaus, und das will dort unter anderem eine Kindertagesstätte bauen.

Es sei belegt, berichtete Stadtarchivleiter Jens Metzdorf zum Hintergrund des Gebäudes, "dass dieses Gelände im Besitz der Neusser Unternehmerfamilie Werhahn war". Peter Werhahn hatte um 1870/1880 an der Schnittstelle der von der großen Familie Werhahn bewohnten Häuser eine grüne Oase anlegen lassen, in der sich Hühner tummelten, Gemüse angebaut wurde und exotische Bäume wuchsen. Und besagter Pavillon entstand.

 Wohl um das Jahr 1905 versammelte Peter Werhahn (4.v.r.) seine große Familie an der Kaffeetafel im Pavillon. Der steht jetzt unter Denkmalschutz

Wohl um das Jahr 1905 versammelte Peter Werhahn (4.v.r.) seine große Familie an der Kaffeetafel im Pavillon. Der steht jetzt unter Denkmalschutz

Foto: Privat/R. Hoppe

"Ich habe viele Erinnerungen an die schöne Zeit dort", berichtet Libet Werhahn-Adenauer (86), die Ehefrau von Peter Werhahns Enkel Hermann-Josef. "Es ging immer lustig zu, wenn sich vor allem sonntags die große Familie traf. Die Erwachsenen haben es sich in dem Pavillon gemütlich gemacht, Kaffee oder Tee getrunken, geredet und gelacht." Und für ihren heutigen Mann "war das Dach des Pavillons eine Rettungsinsel, wenn er etwas ausgefressen hatte", sagt sie. Offene Fenster bis zum Boden mit prachtvollem Gitterwerk und geschnitzte Rundbögen "ließen eine Atmosphäre entstehen, als säße man mitten im Grünen", erinnert sich Libet Werhahn weiter.

Bis in die sechziger Jahre seien Garten und Pavillon mehr oder weniger genutzt worden. Danach geriet das Gelände fast in Vergessenheit - und mit ihm die Gartenlaube. Wind und Wetter setzten der teiloffenen Konstruktion aus Holz, Stahl und Mauerwerk zu. Heute bietet das Rondell in Form eines Achtecks ein trauriges Bild: Pfeiler sind angefressen, die Muster am reich verzierten Dachgiebel-Dreieck verblichen und nur in Ansätzen zu erkennen. Strom-Isolatoren gammeln vor sich hin, eine alte Lampe hängt windschief am Haken. Kein Wunder, dass der geschätzt zehn Meter im Durchmesser große und ebenso hohe Pavillon baufällig geworden ist: "Achtung. Betreten verboten. Einsturzgefahr" warnen Hinweisschilder.

Ein Abriss kommt für die städtische Denkmalpflege jedoch nicht infrage. "Der Pavillon ist ein wiederentdecktes architektonisches Kleinod", sagt Stefanie Müller. Und ihr Amtsleiter Andreas Galland ergänzt: "Die Stadt hat nichts dagegen, wenn der Pavillon versetzt und an einen Ort gebracht wird, wo er öffentlich und damit zugänglicher wird." Er befürchtet allerdings Sachbeschädigungen - und wäre dafür, dass die Laube bleibt wo sie ist.

(NGZ)
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