Radevormwald 90 Jahre Leben an der Kaiserstraße

Radevormwald · Hans-Joachim Harnischmacher wird heute 90 Jahre alt. Er ist nicht nur ein wichtiger Zeitzeuge, sondern auch ein engagierter Bürger der Stadt. Zu seinen Hobbys gehören lange Wanderungen und Touren mit dem eigenen Wohnmobil.

 Immer noch aktiv und engagiert: Hans-Joachim Harnischmacher.

Immer noch aktiv und engagiert: Hans-Joachim Harnischmacher.

Foto: Flora Treiber

Wenn Hans-Joachim Harnischmacher an seinem Esstisch sitzt, blickt er direkt auf den neuen Kreisverkehr, an dem die Hohenfuhrstraße auf die Kaiserstraße trifft. An dieser Stelle hat er sein Leben lang gelebt. Als sein Geburtshaus im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, folgte ein neues an der selben Stelle. Heute wird der Radevormwalder 90 Jahre alt und erinnert sich an die vielen Stationen seines Lebens und die unzähligen Erinnerungen, die er in seiner Heimatstadt gesammelt hat.

Ein großer Teil seines Lebens ist die Tätigkeit als Zeitzeuge. Er war bereits in ganz Deutschland, unter anderem in Bayern unterwegs, um seine Erlebnisse aus der Kriegszeit zu teilen. Er spricht offen über die schrecklichen Erinnerungen, über den Kriegs-Enthusiasmus, der ihm und anderen Jugendlichen antrainiert wurde und über das brutale Aufwachen nach Kriegsende. "Das ist ein Teil von mir, und deswegen spreche ich darüber. Mit der Bewältigung bin ich heute noch beschäftigt", sagt er.

Dass er als Jugendlicher für sein Vaterland gestorben wäre und stolz darauf war, in der Zeit des Zweiten Weltkrieges zu leben, beschäftigt ihn unaufhörlich. "Wenn ich in die Zeitung gucke und von Terroristen lese, die sich in die Luft sprengen wollen, weiß ich, was in diesen Menschen, oft Kindern, vorgeht. Sie sind darauf gedrillt, der jugendliche Enthusiasmus wird missbraucht", sagt er.

Das Grauen des Zweiten Weltkriegs nach 1945 zu entdecken und das Ausmaß zu verstehen, hat Harnischmacher viel Kraft und Stärke gekostet. Bis heute liest er alle Veröffentlichungen über die NS-Zeit, versucht, die psychologischen Mechanismen zu verstehen und hat sich über ein Fernstudium viel Wissen im Bereich Geschichte und Philosophie angeeignet.

Neben diesem aufwendigen Selbststudium und dem Verarbeiten des Erlebten hat der 90-Jährige niemals seinen Optimismus verloren. Er geht offen auf Menschen zu, engagiert sich für seine Stadt und seine Mitmenschen. Nach seiner Lehre zum Industriekaufmann und zehn Jahren bei der Firma Bismarck, hat er sich mit einem eigenen Spielwarenladen selbstständig gemacht. "Es gab Filialen in allen Nachbarstädten. Ich habe meine Arbeit geliebt", sagt Harnischmacher.

In Rade wurde er immer als engagierter Bürger wahrgenommen. Er hat für den Erhalt der Bahnstrecke der Stadt gekämpft, bei dem Bau der Wuppertalsperre mitgeredet und sich in Vereinen beteiligt. Außerdem war er lange bekannt für seine Sportgruppe und seinen Einsatz für die IG Wiebachtal und für das Bismarck-Museum. Für beide Vereine ist er immer noch aktiv.

Mit 90 Jahren geht Harnischmacher zwei Mal am Tag in seinen Garten, um seine Vögel und Kaninchen zu umsorgen, macht 20 Minuten Sport und verfolgt die Nachrichten aufmerksam. "Das eine ist für die Gesundheit, das andere für die Langeweile im Oberkörper", sagt er. Zu seinen Hobbys gehören außerdem lange Wanderungen und Touren mit dem eigenen Wohnmobil. Bald geht es wieder los, dieses Mal Richtung Ungarn. "Ich fahre nie in Städte, sondern will immer die Weite eines Landes entdecken", sagt er.

Das sind nur einige Facetten des Radevormwalder. Wer ihn trifft, muss sich darauf gefasst machen, sein Sternzeichen zu verraten, denn auch auf diesem Gebiet ist er ein Experte.

Seinen 90. Geburtstag feiert Harnischmacher mit seiner Frau Inge, seinen Kindern und Enkelkindern sowie vielen Freunden.

(trei)
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