Radevormwald Brexit wird noch lange ein Thema sein

Radevormwald · Während Vertreter von GKN Sinter Metals mit Sitz in England zu den Folgen des Austritts aus der EU vorsichtig sind, sieht die IHK höhere Kosten auf Unternehmen zukommen. In Schulen wird der Brexit weiter im Unterricht behandelt.

Der gewollte Ausstieg der Briten aus der Europäischen Union als "Brexit" diskutierten gestern Lehrer und Schüler auch am Theodor-Heuss-Gymnasium. Die stellvertretende Schulleiterin Nina Heinze ist gleichzeitig Englisch-Lehrerin, hat derzeit aber keinen Oberstufen-Unterricht. "Ich weiß aber, dass die Kollegen das Thema aufgegriffen haben", sagte sie. Schüler von ihr hätten im Englisch-Unterricht zum Beispiel in Referaten die Argumente für beide Seiten zusammenfassen und diskutieren müssen.

Von der Entscheidung zeigte sie sich überrascht. "Ich habe sehr viele Kontakte nach Irland. Natürlich haben wir auch über die Abstimmung gesprochen", sagte Nina Heinze. Die Leute in Irland hätten große Sorgen, weil die Grenze der Europäischen Union demnächst direkt durch ihr Land läuft, wenn Nordirland aus der EU ausscheidet. "Ich denke, das Thema wird uns im Englisch-Unterricht auch in der nächsten Zeit bei aktuellen Neuerungen noch häufig beschäftigen."

Frank Nipken, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Rade, hat zuletzt mit Bürgermeister Johannes Mans zahlreiche Radevormwalder Unternehmen besucht. "Wir haben auch über den Export gesprochen", sagte Nipken. Dabei sei aber weniger Europa das Thema gewesen. "Die meisten Unternehmer haben uns gesagt, dass beim Export der Fokus mehr auf dem asiatischen Markt liegt. Zum Beispiel China. Wenn dort etwas passiert, wird das als schwerwiegender für die Unternehmen angesehen", sagte Nipken. Andererseits habe Rade auch Automobilzulieferer-Industrie. Die sei wohl betroffen, weil in England viele Fahrzeuge gebaut werden.

Thorsten Stemmermann (Personalleiter bei GKN Sinter Metals) und Pressesprecherin Maike Theine zeigten sich sehr vorsichtig. GKN ist ein weltweit tätiges Unternehmen der Automobilzuliefererindustrie mit Sitz in England, weltweiten Kontakten und unter anderem zwei Werken in Rade (Europa-Zentrale Forschung) und einem in Hückeswagen. Man wolle keine Stellungnahme abgeben. "Wir könnten nur einen weiteren Beitrag zu all den Spekulationen leisten, die der Brexit mit sich bringt", schrieb Theine.

Graham Thomas ist Geschäftsführer des Golfclubs Dreibäumen und Brite durch und durch. Auch wenn er bereits seit 30 Jahren in Deutschland lebt. Aber nicht zuletzt der britische Akzent verrät ihn. Jetzt denkt er ernsthaft darüber nach, eine zweite Staatsangehörigkeit, die deutsche, anzunehmen. Denn mit diesem Abstimmungsverhalten seiner Landsleute, habe er nicht gerechnet, sagte Thomas. "Ich bin schockiert!", denn er denke europäisch.

Er selber hätte gegen den Brexit und gestimmt - wenn er hätte abstimmen können. Aber britische Staatsangehörige, die länger als 15 Jahre im Ausland leben, dürfen nicht zur Wahl. Der Brexit habe nun Einfluss auf das Leben der Briten in Deutschland, ist er sich sicher. Denn als Nicht-(mehr)-EU-Bürger müssten sie sich um Arbeits- und Aufenthaltserlaubnisse kümmern. "Darüber habe ich bis jetzt noch gar nicht nachgedacht", gestand Thomas. Nun könnte es sein, dass er neben der britischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit annimmt - seine Enkelin ist Deutsche. Thomas: "Ich hatte gedacht, das Land würde vernünftig. Ist es aber nicht."

Durch den Austritt Großbritanniens aus der EU wird es mittelfristig zu Mehrkosten beim Warenverkehr kommen, sagte die Industrie- und Handelskammer zu Köln. "Besonders die Chemie-, Pharma- und Automobilbranche ist durch rege Handelsbeziehungen zu Großbritannien betroffen", sagte Alexander Hoeckle, Geschäftsführer International der IHK.

Kurzfristig sei zu befürchten, dass der Absatz deutscher Produkte in Großbritannien schwächer werde. In den nächsten zwei Jahren würden die Handelsbeziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich neu geregelt. In dieser Phase ist mit einer Investitionszurückhaltung von beiden Seiten zu rechnen. Die IHK Köln wird mit betroffenen Unternehmen kurzfristig das Gespräch suchen, um zu klären, wie sich diese Betriebe künftig aufstellen werden.

(RP)
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