Radevormwald Der Altenberger Dom zum Fühlen

Radevormwald · Der Rheinisch-Bergische Kreis bringt einen Braille-Führer für Menschen mit Sehbehinderung heraus. Für Sehende eröffnet sich bei der Erarbeitung dieser Schrift eine neue Welt. Geschichte, Architektur und Religion können Blinde nachlesen.

 Das Modell des Altenberger Doms gibt es schon ein paar Jahre, jetzt wird auch ein Dom-Führer in Braille-Schrift herausgegeben.

Das Modell des Altenberger Doms gibt es schon ein paar Jahre, jetzt wird auch ein Dom-Führer in Braille-Schrift herausgegeben.

Foto: Theresa Demski

Bedächtig streicht Andreas Glatzel über die glatten Bronzeflächen des kleinen Modells. Die Turmspitze, das Kirchenschiff, die alte Mauer rund um das Klostergelände in Altenberg: Andreas Glatzel erfühlt sich die Welt. Er ist seit seiner Geburt blind, aber die Bilder in seinem Kopf sind lebendig. Und mit ein bisschen Hilfe werden sie noch lebendiger. Genau die will der Rheinisch-Bergische Kreis nun anbieten und hat deswegen einen Dom-Führer in Braille-Schrift herausgebracht.

Was für den Sehenden auf den ersten Blick nach rund 40 weißen Din A4-Seiten aussieht, entpuppt sich für Menschen, die mit den Fingern lesen können, als ein besonderer Schatz. Denn in dem neuen Führer soll sich blinden und sehbehinderten Menschen Geschichte, Architektur und Religion des Altenberger Doms erschließen. Die aufwendigen Dom-Grundrisse mussten in einer österreichischen Druckerei erstellt werden. Einen Beitrag zur Inklusion wolle der Kreis leisten, erklärt Susanne Bonenkamp, Leiterin des Kulturbüros und erzählt von der Entstehung. Gemeinsam mit einer blinden Mitarbeiterin des Kreishauses sei das Werk entstanden.

Und schon während der Bearbeitung eröffnete sich auch für die Sehende eine neue Welt. "Es gab so viele Aspekte zu bedenken, die bei anderen Texten gar keine Rollen spielen", sagt Susanne Bonenkamp. Gemeinsam mit Domführerin Katrin Riebel erarbeiteten die Mitarbeiter beim Kreis die Inhalte. Elf getippte Seiten entstanden so. Der erste Entwurf wurde immer wieder überarbeitet, ergänzt und von sehbehinderten Menschen Korrektur gelesen.

Auf dem Braille-Drucker im Kreishaus wurden die Text-Seiten dann gedruckt und haben nun eine große Aufgabe: Inklusion sei ein Dreiklang, erklärt Dirk Jäckel, Amtsleiter für Inklusion und Integration beim Kreis. Es gehe darum, Barrieren im Kopf abzubauen, ganz konkrete Barrieren loszuwerden und gelingende Begegnungen zu schaffen. Der neue Dom-Führer wolle in allen drei Bereichen helfen.

Die Broschüre erhalten Besucher, die eine Führung durch den Dom buchen, kostenlos. Alle anderen können sie für fünf Euro im i-Punkt in Altenberg erwerben. Sie gilt als Ergänzung zu dem Bronzemodell, das bereits seit einigen Jahren vor dem Dom steht und Blinden wie Sehenden einen Eindruck der alten Klosteranlage gibt.

"Für mich ist Altenberg neu", sagt Andreas Glatzel, der aus Nettersheim zum Dom gekommen ist. Zwar engagiere er sich für den Blindenverein Rhein-Berg, aber dem Dom begegne er nun zum ersten Mal. Eher wie ein kleines Kirchlein fühle sich das Modell an, sagt er als er die Finger weiter über die Bronze gleiten lässt. Er habe sich immer sehr für Geographie interessiert, erzählt er. Es sei schön, dass es nun auch blinden Menschen möglich gemacht werde, diesen Ort zu erkunden. Vielen Institutionen und Verantwortlichen würde immer noch das Verständnis für Menschen mit Sehbehinderungen fehlen, sagt er und wünscht sich mehr Ideen an deutlich mehr Orten.

Dann geht Andreas Glatzel mit seiner Besuchergruppe Richtung Domportal, tritt ein und hält plötzlich inne. "Doch kein Kirchlein", sagt er dann und schmunzelt.

Die Akustik im Dom ermögliche ihm nun auch die Vorstellung einer Dimension. "Und diese Kirche ist deutlich höher, als ich sie mir nach dem Erfühlen des Modells vorgestellt habe", sagt er. Dann steht er andächtig im Altenberger Dom, während die Domführerin das große Fenster erklärt. Andreas Glatzel aber legt seine Arme um die großen Säulen, um ihre Maße abzuschätzen und lauscht vor allem dem Hall der Stimmen. "Ich habe diesen Ort nicht vor Augen", sagt er, "ich habe ihn unter den Fingern."

(RP)
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