Radevormwald "Die Reformation wirkte als Brandbeschleuniger"

Radevormwald · Passend zum diesjährigen Lutherjahr lud die Radevormwalder Abteilung des Bergischen Geschichtsvereins (BGV) am Freitagabend zu einem kurzweiligen Vortrag ins Bürgerhaus ein. Vor rund 30 interessierten Zuhörern erörterte der Wuppertaler Universitätsprofessor Dr. Martin Ohst die durchaus tiefgründige Frage: "Warum feiern wir Luther?"

 Prof. Dr. Martin Ohst sprach beim BGV über Martin Luther.

Prof. Dr. Martin Ohst sprach beim BGV über Martin Luther.

Foto: moll (archiv)

Evangelische Gemeinden im ganzen Land feiern in diesem Jahr 500 Jahre Reformation, angetrieben von Martin Luther, dem Reformator, der 1517 mit dem Anschlag seiner 95 Thesen an das Schlosstor zu Wittenberg die Spaltung der christlichen Kirche auslöste. Doch sollte man jemanden feiern, der genau das bewirkte, die Spaltung der Kirche? Eigentlich nicht, sagte Professor Dr. Martin Ohst, Inhaber des Lehrstuhls für Kirchengeschichte und Systematische Theologie an der Bergischen Universität Wuppertal. Und seine Begründung war einleuchtend: "Das, was Martin Luther zu seiner Zeit tat, war rechtswidrig und widersprach geltendem geistlichen wie auch weltlichen Recht."

Luther handelte illegal, doch dass sein Handeln dennoch in die Geschichte einging, war nur möglich, "weil Europa zu seiner Zeit von Krieg zerfressen war'". Papst und Kaiser, erklärte Ohst, hätten die Reformation und seine Anhänger leicht aufhalten können, wenn sie zusammengearbeitet hätten. Dass sie es nicht taten, ermöglichte es erst, dass die Reformation auch in der politischen Welt gedeihen konnte und letztendlich zum 30-jährigen Krieg führte. "Die Reformation wirkte als Brandbeschleuniger." Ein Machtkampf, den am Ende niemand gewann. "Können wir also die Reformation, in Anbetracht seiner Konsequenzen, feiern? Kann man ein Ereignis feiern, das die Kirche gespalten hat?"

Für Ohst der falsche Ansatz. Die Frage müsse lauten: "Kann man jemanden feiern, der die Kirche gespalten hat? Und da ist meine Antwort: nein." Obwohl Ohst gleich wieder relativierte: "Luther hatte mit seiner Kritik an den kirchlichen Missständen recht, doch auf Luthers berechtigter Kritik reagierte die Kirche falsch und hat sich damit selbst Schuld am Bruch der Kirche aufgeladen."

Der Reformator Luther als Mensch könne ebenso wenig gefeiert werden, da er sich im Verlauf weiter radikalisierte. "Man könnte Luther ja als Vater der modernen Religionsfreiheit und Toleranz feiern", sagte Ohst und verneinte dies gleich wieder, denn "Luther war höchst intolerant gegenüber Meinungsgegnern. Er konnte sich eine religiös pluralistische Gesellschaft nicht vorstellen." Doch dass genau das später eintraf, dass sich keine der beiden Kirchen durchsetzen konnte und beide lernen mussten, nebeneinander her zu existieren, fand Ohst, sei die richtige Motivation: "Diese gelernte Toleranz ist der berechtigte Grund, Luther zu feiern."

(sebu)
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