Radevormwald Ein trauriger Kindertag

Wie jedem Radevormwalder sind mir die Nacht des Unglücks und die darauffolgenden Tage immer noch präsent. Ich war damals neun Jahre alt und wohnte an der Mühlenstraße. Meine Geschwister und ich waren längst im Bett, als es an der Tür klingelte. Verwandte fragten, ob alle Kinder zu Hause seien. Sie hatten gehört, dass Schulkinder mit einem Zug verunglückt waren, wussten aber nichts Genaues. Sicher bahnte sich die schreckliche Nachricht auf diese Weise durch viele Häuser in der Stadt.

Am nächsten Morgen war die Stimmung zu Hause merkwürdig verhalten. Wir wurden zur Schule gebracht. Ich ging in die katholische Grundschule an der Blumenstraße. In der Klasse haben wir auf unseren Stühlen gesessen und lange auf unsere Lehrerin Frau Pflitsch gewartet. Sie kam außergewöhnlich verspätet und völlig verheult in die Klasse. Sie sagte uns, dass etwas Schlimmes passiert sei und dass viele Kinder durch ein Unglück gestorben seien. Anschließend schickte sie uns alle nach Hause. Ich war froh, dass ich nicht allein gehen musste. Meine beiden Freundinnen wohnten an der Friedrichstraße und an der Albertstraße. Wir kamen an der Turnhalle Bredderstraße, Ecke Mühlenstraße, vorbei. Dort waren die toten Kinder aufgebahrt. Vor der Tür standen Angehörige. Wir sind still entlang geschlichen.

Die Turnhalle war für uns lange Jahre der traurige Ort der toten Kinder. Jeden Tag kamen wir Schulfreundinnen auf dem Weg von der Schule nach Hause daran vorbei. Natürlich waren wir oft abgelenkt, aber vergessen haben wir den Tag nach dem Unglück nie.

Noch heute denke ich daran, wenn ich an der Turnhalle vorbei komme.

(RP)
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