Radevormwald Emanzipation und Wunsch nach dem Wunderbaren

Radevormwald · Der Kulturkreis zeigte "Nora oder ein Puppenheim". Das Publikum stellt sich der Diskussion um Emanzipation.

Theaterstücke werden dann zu Klassikern, wenn sie elementare Impulse für den Alltag geben und die Gesellschaft anregen, Teile des Lebens zu hinterfragen. Diesen Anspruch hat "Nora oder ein Puppenheim" von Henrik Ibsen am Mittwochabend erfüllt, als das Westfälische Landestheater die moderne Inszenierung im Bürgerhaus zeigte.

Der Kulturkreis Radevormwald hat mit der Auswahl dieses Stücks Erfahrung und Weitsicht bewiesen. "Radevormwald gehört zu den vier Städten im Land NRW, die das Stück bei uns für ihr Programm eingekauft haben. Klassiker werden leider immer weniger gebucht. Wir wollen natürlich mit kraftvollen Inszenierungen dagegen steuern", sagte Dramaturg Christian Scholze vor der Aufführung.

Michael Teckentrup, Vorsitzender des Kulturkreises, kennt die Vorbehalte gegen Klassiker auf der Theaterbühne. "Krimis oder Komödien werden besser besucht. Trotzdem wollen wir auch Klassiker zeigen, weil sie ein wichtiger Teil unseres Programms sind", sagte er. Ramona Welbat und Steffen Jütz gehen durchschnittlich einmal im Jahr ins Theater. Obwohl das junge Paar eher kurzfristig den Weg ins Bürgerhaus gefunden hatte, blickten die beiden dem Klassiker positiv entgegen. "Wir haben heute die Abo-Karten meiner Eltern bekommen. Klassiker finde ich grundsätzlich nicht schlecht", sagte Steffen Jütz. "Mir ist es wichtig, dass Theater nicht langweilig ist und Spannung erzeugt", ergänzte Ramona Welbat.

"Nora oder ein Puppenheim" erzeugt gleich mehrere Spannungsfelder: Das zwischen Mann und Frau, zwischen Treue und Sehnsucht sowie das zwischen Sicherheit und Freiheit. In Ibsens Werk geht es um die Emanzipation der Frau.

Damals, 1879, galt das Stück als skandalös. "Dass eine Frau ihren Mann verlässt, war nicht denkbar. Das Stück bildet auch ab, wie sich die gesellschaftliche Wahrnehmung verändern kann und weist uns daraufhin, dass auch unsere Normalität sich verändern wird", erklärte der Dramaturg.

Ramona Welbat findet es wichtig, über Emanzipation aufzuklären. "Ich freue mich auf die Thematik, weil sie immer noch aktuell ist", sagte die Besucherin vor der Aufführung. Nach der Einführung in das Stück, eröffneten Advokat und Nora, gespielt von Maximilian von Ulardt und Pia Seifert, das Stück und damit den Versuch von Nora aus ihrem Puppenheim, der trägen Gesellschaft auszubrechen. Obwohl ihr Leben friedlich und bequem ist, bekommt das Puppenheim, in dem sie still und glücklich spielen soll, Risse.

Diese Risse bildete das Westfälische Landestheater im Bühnenbild ab. Von Szene zu Szene rückten die Löcher des Untergrunds näher zusammen. Noras Wunsch nach "dem Wunderbaren" blieb aber leider unerhört. Nach ihrem Befreiungsschlag wartet weder die große Freiheit noch ein loyaler und starker Mann auf sie. Der fällt ihr vielmehr in den Rücken, um selber weiterhin Teil der homogenen Gesellschaft zu bleiben.

Dem Publikum des Kulturkreises wurde diese Thematik am Mittwochabend mit einem wirkungsvollen Bühnenbild, aber hin und wieder leider etwas zu langatmigen Szenen vermittelt.

(trei)
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