Radevormwald Luther prägt das Leben von Geißler

Radevormwald · Dr. Heiner Geißler ist im Politikgeschäft das, was man einen mit allen Wassern gewaschenen Veteranen nennt. Der 86-jährige ehemalige Jesuitenschüler war einige Jahre als Novize im Jesuitenkonvent im Schwarzwald und stand kurz vor dem Eintritt in den Orden. "Aber als ich die Ordensgelübde - Keuschheit, Armut und Gehorsam - ablegen musste, habe ich gemerkt, dass ich zwei davon nicht halten konnte. Und die Armut war es nicht", sagte Geißler und hatte die Lacher beim Bever-Forum der Freien Evangelischen Gemeinde Halver erstmals auf seiner Seite.

Dabei referierte der ehemalige Bundesgesundheitsminister und immer noch aktive CDU-Politiker auch über ernste Themen, die er jedoch verstand, mit dem ihm eigenen Mutterwitz zu würzen, so dass man ihm einfach gerne zuhörte. Grob gesagt ging es im vollbesetzten Gemeindehaus in Halver-Schwenke um das Reformationsjahr, um Luther sowie um die Gegensätze und das Verbindende der beiden christlichen Konfessionen. Dabei konnte Geißler inhaltlich ein großes Füllhorn an Geschichten, Anekdoten und Lebensweisheiten ausschütten.

Dabei stellte er die wichtigste Frage zu Beginn, nachdem er sich an den Altar gesetzt hatte. "Wie kommt der Geißler eigentlich dazu, ein Buch über Luther zu schreiben?" Die Antwort: Er habe mit dem großen Reformator bereits als kleiner Junge am Neckar zu tun gehabt, und er sei ihm immer wieder begegnet. Es folgten Anekdoten aus dem Leben Geißlers. Etwa aus der Kindheit, in der vom Ablass die Rede war, den seine Großmutter dem Pfarrer abkaufte - "500 Tage weniger Fegefeuer gab es für einen Geldschein im Briefumschlag", erzählte Geißler. Oder als junger Student, als er im RCDS, der Studentenorganisation der CDU, tätig war, und ihm Luther erneut begegnete - als homo politicus, der er ja selbst auch bald sein würde. "Gründungsidee der CDU war, die Trennung zwischen Katholiken und evangelischen Christen zu beenden", sagte Geißler. Er war zudem immer vom Wunsch nach Europa geprägt, weg vom Nationalstaatsdenken, dem er deutlich eine Absage erteilte. In seinem abwechslungsreichen und fesselnden Vortrag ging der 85-Jährige auf verschiedene Aspekte aus Luthers Leben und der biblischen Geschichte ein, etwa dass der Wittenberger Professor ein Opfer der "Sündentheologie" war, die ja nur auf einem Übersetzungsfehler der Bibel aus dem Griechischen basiere. Oder dass Luther für die Gleichberechtigung von Mann und Frau sehr viel getan hatte, indem er das Priesteramt abschaffte.

Er zog sogar einen Vergleich zwischen Luthers Reformation und der Rebellion der russischen Punk-Mädchen von "Pussy Riot": "Beide haben gegen das bestehende Wort der Kirche aufbegehrt und ihre Fehler angeprangert", sagte Geißler. Und kam zu dem Schluss, dass "jeder intelligente Katholik im Inneren auch Protestant ist", dass aber beide Kirchen noch viel lernen müssten, um den Menschen wieder den Halt zu geben, den sie heute bräuchten.

(wow)
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