Radevormwald Mit Händen und Füßen Deutsch lernen

Radevormwald · Kirsten Doebler-Friese bietet im Wartburghaus jeden Dienstag und Freitag Deutschunterricht für Asylbewerber an. Hier betreut sie vier Männer, die weder lesen noch schreiben können. Die 38-Jährige hat Spaß an dieser Herausforderung.

 Kirsten Doebler-Friese gibt Deutschkurse für Flüchtlinge. Ihren Unterrichtsstoff besorgt sich die Ehrenamtlerin aus dem Internet.

Kirsten Doebler-Friese gibt Deutschkurse für Flüchtlinge. Ihren Unterrichtsstoff besorgt sich die Ehrenamtlerin aus dem Internet.

Foto: Nico Hertgen

Als vor anderthalb Wochen ein Feuer im städtischen Übergangswohnheim an der Straße Am Gaswerk ausbrach, war der gemütliche Morgen für Kirsten Doebler-Friese beendet. Die engagierte Ehrenamtlerin vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) ist Gruppenführerin Betreuung in der Einsatzeinheit Nord der Kreisbereitschaft Oberberg und machte sich sofort auf den Weg zur Feuerwache. Dort wurden die 23 Bewohner vorübergehend betreut und ärztlich versorgt.

Unter ihnen fand die 38-Jährige auch drei bekannte Gesichter. Denn Kirsten Doebler-Friese bietet seit Jahresbeginn Deutschunterricht für Asylbewerber im Wartburghaus an und unterstützt Karin Hall von der Lutherischen Kirchengemeinde. "Als ich am Samstag in der Feuerwache eintraf, sahen mich die drei Männer und waren glücklich, ein bekanntes Gesicht zu erkennen", berichtet sie. Um die drei Männer kümmert sie sich seit geraumer Zeit intensiv, denn sie können weder lesen noch schreiben. Das erfordert eine besondere Herangehensweise und viel Zeit. "Aber mir macht diese Herausforderung Spaß", sagt sie. Mit Sprache umgehen, das fällt Kirsten Doebler-Friese leicht, immerhin beherrscht sie neben Deutsch auch Englisch und Niederländisch und lernt gerade Russisch.

Beim Deutschunterricht legt sie keinen Wert auf die Herkunft der Menschen. "Primäres Ziel ist es, dass die Asylbewerber die deutsche Sprache lernen. Keiner muss, jeder darf alles erzählen", sagt sie. Was sie beim Einsatz beim Wohnheimbrand beeindruckt und begeistert hat: Als die Asylbewerber in der Feuerwache betreut wurden, kamen andere Flüchtlinge, die bereits Deutsch-Kurse absolviert haben, um zu übersetzen. Das zeige, wie erfolgreich die Kurse laufen und sei eine schöne Bestätigung für das Engagement. Kirsten Doebler-Friese erlebt die meisten Asylbewerber als hilfsbereite und freundliche Menschen, die zusammen lernen wollen. "Die nehmen unser Angebot gerne an", sagt die 38-Jährige. So ein Sprachkurs vermittele den Menschen einen geregelten Tagesablauf und sorge für Struktur im Alltag.

Auf die Sprachkurse aufmerksam geworden ist sie durch einen Aufruf in der BM. "Ich dachte mir, ich habe die Zeit, also wollte ich mich engagieren", sagt die dreifache Mutter, die sich zurzeit in Elternzeit befindet. Ihre Kinder sind ein, vier und sieben Jahre alt. Bald fängt sie wieder halbtags bei der Firma Gira in der Verwaltung an. Dann wird sie die Kurse nach der Arbeit anbieten. Eine soziale Ader hatte sie schon immer. "Meine Mutter hat immer gesagt, ich sei eine soziale Nudel", sagt sie. Schon als Kind hat sie sich eingemischt, wenn jemand schlecht behandelt wurde. "Mir tun die Asylbewerber leid. Wer so einen schweren Weg auf sich nimmt, hat schon viel in seinem Leben erlebt, dann ist Sprache das Wichtigste in einem fremden Land", sagt sie.

Zu Beginn hat Kirsten Doebler-Friese viel von Karin Hall gelernt, ihr über die Schulter geschaut. Mittlerweile arbeitet sie eigenständig. Im Internet recherchierte sie Details, vor allem, wie man drei Männer alphabetisiert, die weder lesen noch schreiben können. Mittlerweile hat sich noch ein vierter Mann gemeldet. Der Unterricht beginnt mit Händen und Füßen. Hören, sehen, sprechen - mit viel Gestik und Mimik geht's los. Dann nimmt sich die 38-Jährige die Buchstaben einzeln vor. "Eine Anlauttabelle habe ich mir aus dem Internet gezogen", sagt sie. Die Kurse beginnen in der großen Gruppe mit 15 Teilnehmern. Da wird gemeinsam gesungen, um das Hörverständnis für "ö, ü, ä oder tz" zu fördern. "Das soll ins Gehirn übergehen", sagt Kirsten Doebler-Friese. Die Leistungsunterschiede sind groß. Aber vom Studierten bis zum Analphabeten haben alle ein gemeinsames Ziel: Deutsch zu lernen. Das sorgt für ein Miteinander. Die Teilnehmer bauen soziale Kontakte auf, stärken und helfen sich gegenseitig. Leistungsdruck gibt es nicht.

In der Kleingruppe kümmert sie sich dann intensiv um die, die weder lesen noch schreiben können. "Wenn diese Menschen die Chance haben, lesen und schreiben zu lernen, haben sie mehr als vorher", sagt Kirsten Doebler-Friese.

(RP)
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