Radevormwald SPD diskutiert über die große Koalition

Radevormwald · Die Sozialdemokratie zwischen Vertrauen und Verantwortung: Parteimitglieder aus Rade und Remscheid tauschen sich intensiv im Bürgerhaus aus. Michaela Engelmeier und Jan Dieren vertreten dabei die unterschiedlichen Standpunkte.

 Nach der Bundestagswahl hatte sich SPD-Kandidatin Michaela Engelmeier geknickt gezeigt. (Archivbild)

Nach der Bundestagswahl hatte sich SPD-Kandidatin Michaela Engelmeier geknickt gezeigt. (Archivbild)

Foto: wolfgang scholl

Der Ortsverein der SPD diskutierte Montagabend über den Koalitionsvertrag mit der CDU und der CSU. Gekommen waren etwa 30 Mitglieder aus Rade und Remscheid. Michaela Engelmeier vertrat den Standpunkt des Bundesparteivorstands, Jan Dieren als stellvertretender Vorsitzender der Jungsozialisten (Jusos) die Gegenposition. Sie eröffneten den Abend mit einer Stellungnahme zur großen Koalition (Groko).

Michaela Engelmeier forderte ihre Zuhörer auf, mit "Ja" für die gemeinsame Regierung zu stimmen. "Wir müssen Verantwortung übernehmen. In der Opposition können wir nichts durchsetzen oder gestalten. In der Groko können wir das", sagte sie und betonte auch, dass sie grundsätzlich keine Angst vor Wahlen habe. Die möglichen Neuwahlen hält sie jedoch für schwierig. "Wir haben keinen Kandidaten, kein Programm und keine Kohle für Neuwahlen", sagte sie.

Jan Dierens Hauptkritik an dem Koalitionsvertrag sind die fehlenden Antworten auf bedeutende Fragen. "Der Vertrag lässt wichtige Fragen außer Acht und weist keine Perspektiven auf. Wir können uns in der Opposition erneuern und das Vertrauen unserer Wähler zurückgewinnen", sagte er. Er forderte dazu auf, in der großen Koalition keine zögerlichen kleinen Schritte zu machen, sondern die Zeit in der Opposition dazu zu nutzen, ein neues und gutes Programm zu entwickeln, um die SPD zu stärken.

Auf diese Perspektiven reagierten die Teilnehmer sofort. Arnold Müller, stellvertretender Vorsitzender der SPD Rade, vermisst die Weitsicht seiner Partei. "Mir fehlen Zukunftsperspektiven, das Thema Digitalisierung kommt zu kurz, und die Bevölkerung spürt keine Zuversicht", sagte er. Ralf Krüger, SPD-Mitglied aus Remscheid, übte Kritik an Michaela Engelmeier. "Du bist eine sympathische Frau, aber es hapert an der Glaubwürdigkeit. Es geht um Ehrlichkeit und Vertrauen", sagte er und bemängelte den Umgang mit inhaltlichen Konzepten um die Grundrente sowie um die sachgrundlose Befristung.

Dr. Josef Korsten, ehemaliger Bürgermeister von Rade und seit seinem 17. Lebensjahr SPD-Mitglied, ist "richtig sauer" über das Verhalten seiner Partei. "Ich rege mich darüber auf, dass unser Vorstand die Meinung vertritt, dass man Verantwortung nur in der Regierung übernehmen könne. Verantwortung kann man genauso in der Opposition übernehmen, die zu jeder funktionierenden Demokratie dazugehört", sagte Korsten. Er zweifelt an der Glaubwürdigkeit seiner Partei und schloss sein Statement mit einem Zitat von Bob Marley: "You can fool some people sometimes, but you can't fool all the people all the time." Übersetzt bedeutet das: Sie können manchmal ein paar Menschen täuschen, aber Sie können nicht alle Leute die ganze Zeit täuschen.

Ronald Golatta ist vom Lobbyismus enttäuscht, der die Demokratie in den Verhandlungen des Koalitionsvertrages erreicht hat und kritisiert die Kausalität der SPD. "Es wurden falsche Konsequenzen gezogen. Dieser geschlossene Umschwung des Parteivorstandes nach der Ansprache des Bundespräsidenten ist lächerlich", sagte er.

Eine der wenigen Stimmen für die Groko kam von Hans Golombek. "Wir wären verrückt, wenn wir mit Nein stimmen. Wir können auch diskutieren und uns erneuern, wenn wir in der Regierung sitzen", sagte er.

Dietmar Stark, Vorsitzender der SPD in Rade, war dankbar für den lebhaften Austausch am Montagabend. "Genau das, die Diskussion, ist in den vergangenen Jahren zu kurz gekommen", sagte er.

(RP)
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