Radevormwald Stammkunden kamen mit Sekt

Radevormwald · Das Ehepaar Ingrid und Horst Jung hat zu Silvester den Radevormwalder Wochenmarkt verlassen. Als Hauptgrund nennen die langjährigen Markthändler aus Wuppertal eine zu häufige Verlagerung an die Oststraße.

"Wir verabschieden uns heute von Ihnen . . .". Es ist ein kurzer Text, der an diesem Morgen auf dem Wochenmarkt an der Oststraße für Furore sorgt. Ingrid und Horst Jung haben ihn gemeinsam verfasst und gut sichtbar an der Zeltwand ihres Obst- und Gemüsestandes befestigt. "Ich bin platt", sagt eine ältere Stammkundin. Gleich darauf erkundigt sie sich bei Horst Jung, wie dies denn nun gemeint sei.

"Viele Kunden erfahren es erst heute morgen, dass wir hier in Radevormwald letztmals aufgebaut haben", sagt Horst Jung. Die erstaunten Gesichter scheinen ihn sehr zu treffen. "Von 100 Kunden kennen wir 95 über viele Jahre", erklärt Ingrid Jung mit Wehmut in der Stimme. Da fällt der Abschied schwer. Betroffenheit hat sich breit gemacht, bei den verdutzten Stammkunden, dem Verkaufspersonal und bei den Standbetreibern.

Probleme mit Kopfsteinpflaster

Was sollen wir sagen, es ist alles sehr sehr schade", sagt Ingrid Jung. Sie kämpft mit der Fassung, als sie erzählt, dass sie seit Kindesbeinen auf dem Rader Wochenmarkt steht. "Ich bin als Fünfjährige schon mit meinen Eltern hierher gekommen, die hier einen Käse, Wurst und Eierstand hatten", sagt die Marktfrau. Viele ihrer Stammkunden kenne sie so seit den Kindertagen. "Die sprechen mich noch mit meinem Vornamen an", sagt die 60-Jährige. Sie lernte einst ihren Ehemann auf dem Wochenmarkt in Schwelm kennen. Nach der Hochzeit stieg sie in das Geschäft ihres Mannes ein. Heute arbeiten die Töchter Andrea und Katja mit. "34 Jahre stehen wir hier", sagen beide nachdenklich. Das Aufgabe des Standes erklären sie mit dem häufigen Wechsel des Markt-Standortes. "Bei einem Umzug von nur wenigen Metern kommen keine Laufkunden mehr. In der Oststraße ist dies sehr stark zu spüren", sagt Ingrid Jung. Die Nachricht der Stadtverwaltung, die "Eiszeit" kommt wieder, habe letztlich den Ausschlag gegeben.

"Der Aufwand ist zu groß. Aufstehen in der Nacht, der Großmarkteinkauf, der schwere Standaufbau auf Kopfsteinpflaster und die fehlende Laufkundschaft. Das alles ist zu viel", erklärt das Ehepaar. Verkauft wird weiter in Schwelm und neu in Gevelsberg. Immer wieder werden die Jungs auf den Abschied angesprochen, kommen kaum zum Verkaufen.

Ob es keine andere Perspektive gebe, wollen Kunden wissen. Einige sind mit Sekt, andere mit Wein gekommen. "Es ist rührend" sagt Ingrid Jung. Auch Mitarbeiterin Andrea Heinen kämpft mit den Tränen. "Eine Obsttüte für Zwei bitte", lautet die Bestellung einer alten Dame. Sie macht sie zum letzten Mal fertig. Der Obst- und Gemüsestand wird vielen fehlen.

(RP)
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