Radevormwald Theaterstück wird zur Privataufführung

Radevormwald · Mit dem Stück von Semiya Simsek werden die Folgen eines Mordes für die Familie des Ermordeten beleuchtet. Thema sind die NSU-Morde vor zehn bis 16 Jahren. Nur zehn Besucher wollen das Stück sehen.

 Das Land NRW fördert die Aufführungen des Westfälischen Landestheaters von "Schmerzliche Heimat".

Das Land NRW fördert die Aufführungen des Westfälischen Landestheaters von "Schmerzliche Heimat".

Foto: Westfälisches Landestheater

Freie Platzwahl galt, als die Vorstellung des Kulturkreises zehn Besucher ins Bürgerhaus zog. Am Samstag war das Westfälische Landestheater Castrop-Rauxel mit "Schmerzliche Heimat", einer Inszenierung von Christian Scholze, in Rade. Michael Teckentrup, Vorsitzender des Kulturkreises, hatte sich bereits auf eine geringe Resonanz eingestellt. "Der Kartenvorverkauf hat mich auf diese Situation vorbereitet und ich habe das Westfälische Landestheater auch schon darauf aufmerksam gemacht. Sie wollten trotzdem kommen und spielen", sagte er.

Für ihn ist das ein Zeichen im Sinne der Theaterwelt. "Wir lassen uns nicht unterkriegen und machen uns weiterhin für Aufführungen auch außerhalb des Spielplans stark." Die Einführung übernahm Teckentrup selbst, um den Besuchern einen ersten Einblick zu geben. Christian Scholze hat das Buch von Semiya Simsek und Peter Schwarz für die Darstellung auf der Bühne aufgearbeitet und dabei auf eine sehr reduzierte Umsetzung geachtet. Die Uraufführung von "Schmerzliche Heimat" ist eine Kooperation des Theater Hofs und des Westfälischen Landestheaters. Gefördert wird die Inszenierung des politisch brisanten Stücks von der Landesregierung NRW. "Damit tut uns die geringe Besucherzahl wenigstens nicht finanziell weh", sagte Teckentrup. Er hat das Stück seit dem Winter beworben und allen weiterführenden Schulen vorgestellt. Ohne Erfolg. "Schüler und Lehrer kommen nur während der Schulzeit ins Theater. Das ist eine traurige Erkenntnis für mich", sagte er.

Die Handlung von "Schmerzliche Heimat" macht den Mord an Enver Simsek, einem türkischen Blumenverkäufer, zum Thema. Er wurde am 9. September 2000 Opfer einer terroristischen, rechtsextremen Vereinigung. Das Schauspiel, sein Leben, wird aus der Sicht seiner Tochter erzählt, die von Anke Jansen verkörpert wurde. Im Zeitraffer bekommen die Zuschauer einen Überblick über seine Familie und seine Arbeit. Seine Tochter Semiya erfährt von dem Mord an ihrem Vater im Internat, 300 Kilometer entfernt vom Heimatort. Nach dem Verlust ihres Vaters fängt für sie und ihre Mutter Adile eine Tortur an. Die Familie wird von Polizei, Behörden und dem Verfassungsschutz verhört, unterschwellig als Täter, nicht als Opfer behandelt. Ohne Rücksicht auf ihre Trauer. Alles nur wegen ihrer Herkunft? Das Stück thematisiert den Umgang mit zugezogenen Familien und die Auswirkung auf ihre Strukturen und Seelen. Semiya Simsek schrieb "Schmerzliche Heimat", um an die Gesellschaft und die Moral zu appellieren. "Gemeinsam, nur das kann die Lösung sein", lautet der Leitspruch ihres Buches. Die 1986 geborene Schriftstellerin hielt das Leben ihres Vaters und das Schicksal all der Opfer und Familien fest, deren Leben durch die NSU-Morde zwischen 2000 und 2006 zerstört wurden. Für Michael Teckentrup war das Schauspiel eine Weiterführung einer Themenreihe, die er bereits mit "Die Weiße Rose", einem Theaterstück über die letzten Stunden der Geschwister Scholl, begonnen hatte. "Besonders für Jugendliche ist es wichtig, diese Schicksale auf die Bühne zu bringen, um sie für Ausländerfeindlichkeit und Terror zu sensibilisieren", sagte er.

(trei)
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