Radevormwald Verfassungsschutz - 3660 Neonazis in NRW

Radevormwald · Jeder zweite Neonazi gilt als gewaltbereit. Der Anteil der rechtsradikalen Frauen ist gestiegen. In Köln wurden jetzt sechs Rechtsextreme der Gruppierung "Freundeskreis Rade" zu Haft- und Bewährungsstrafen verurteilt.

Die Neonazis aus Radevormwald wirken größtenteils erleichtert, als sie nach der Urteilsverkündung den Sitzungssaal im Kölner Landgericht verlassen. Nur die Freundin des Hauptangeklagten, die auf den Zuschauerbänken sitzt, bricht in Tränen aus. Ihr Freund ist zu zwei Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt worden. Denn er ist der mutmaßliche Anführer der rechtsextremen Vereinigung "Freundeskreis Rade". Neben ihm wurden vorgestern noch fünf weitere Mitglieder dieser Gruppierung unter anderem wegen der Gründung einer kriminellen Vereinigung mit fremdenfeindlichem Hintergrund zu Haft- und Bewährungsstrafen verurteilt.

Der Rechtsextremismus ist in NRW weit verbreitet. Es gibt ihn sowohl in ländlichen Räumen wie Radevormwald als auch in Großstädten wie Düsseldorf, Köln und Duisburg. Die Neonazis setzen sich laut Verfassungsschutz aus verschiedenen Gruppen und Organisationen zusammen, darunter Parteien, Kameradschaften und gewaltbereite Gruppen,

Nach den Beobachtungen des Verfassungsschutzes beschleunigt das Internet die Radikalisierung in der rechten Szene. In NRW liege das "Personenpotenzial" bei 3660 Menschen, und die Gewaltbereitschaft nehme zu. Inzwischen sei jeder zweite Rechtsextremist "gewaltorientiert", sagte Verfassungsschutzchef Burkhard Freier im Parlamentarischen Kontrollgremium des Landtags. Zudem nehme der Anteil von Frauen zu. Er liege derzeit bei elf Prozent, nachdem es in den zurückliegenden Jahren stets unter zehn Prozent gewesen seien. 47 Prozent der rechtsextremen Straftäter seien zwischen 14 und 24 Jahre alt; 64 Prozent von ihnen seien bereits zuvor "kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten". Die Zahl der von Rechtsextremisten begangenen politisch motivierten Gewalttaten lag 2012 bei 192; in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres waren es 147.

Bundesweite Medienpräsenz erhielt Radevormald am 25. April 2012, als die Polizei den "Freundeskreis Rade" aushob, 17 Wohnungen und das Büro der rechtspopulistischen Stadtratsfraktion von Pro NRW durchsuchte, mehrere Personen festnahm und zahlreiche Waffen, Datenträger und Fahnen sicherstellte. Ergebnis dieser Razzia, die zu einer äußerlichen Ruhe in der Stadt führte, war der seit September 2012 andauernde Prozess, an dessen Ende die sechs Mitglieder des "Freundeskreis Rade" hauptsächlich wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung verurteilt wurden.

Eine rechtsradikale Hochburg in NRW ist aber vor allem Dortmund. Dort sind im bürgerlichen Viertel Dorstfeld ganze Straßenzüge von Rechtsradikalen bewohnt. Diese Neonazis gehören der Partei "Die Rechte" an, die aus den vor zwei Jahren verbotenen "Kameradschaft aus Hamm" und dem "Nationalen Widerstand Dortmund" (NWDO) hervorgegangen ist. "Die Rechte" sei die "extremistischste Partei" und sei "wesensverwandt mit der NSDAP", betont Freier. Politisch spielt "Die Rechte" allerdings so gut wie keine Rolle. Bei den letzten Kommunalwahlen holten sie in Dortmund nur wenige Hundert Stimmen. Auch für die anstehenden Wahlen im Mai rechnen Wahlbeobachter kaum mit mehr Anteilen.

Der NRW- Verfassungsschutz beobachtet drei rechtsgerichtete politische Parteien: Neben der Partei "Die Rechte" sind das die NPD, gegen die ein Verbotsantrag läuft, und "Pro NRW". Doch das rechte Lager sei untereinander stark zerstritten, sagt Freier. Allenfalls nur der NPD werde es gelingen, bei der Europawahl am 25. Mai einen oder zwei Abgeordnete ins Europaparlament zu schicken. Den rechten Parteien gehe es bei ihrer Kandidatur vornehmlich um die Wahlkampfkostenerstattung

Das Erscheinungsbild und das Auftreten der Rechtsradikalen hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. "Zwar gibt es auch noch die dumpfen Schläger, aber die Führung setzt sich vor allem aus zum Teil hochintelligenten jungen Menschen zusammen", erklärt Wolfgang Wieland von der Polizei Dortmund. So studieren die beiden Anführer der Dortmunder Neonaziszene zum Beispiel Informatik und Jura. Auch die sechs verurteilten Neonazis aus Radevormwald sahen nicht aus wie Skinheads.

Innenminister Ralf Jäger (SPD) hat im Kampf gegen Rechtsextreme einen Acht-Punkte-Plan aufgelegt. Er besteht unter anderem aus verstärkten Kontrollen, Präventionsarbeit und einem Programm für Aussteiger. Laut Verfassungsschutz hat sich die Zahl der Teilnehmer an dem Programm im vergangenen Jahr verdoppelt. Der Acht-Punkte-Plan beinhaltet darüber hinaus die Finanzierung von Sonderkommissionen (SK) in Neonazi-Hochburgen wie Aachen, Wuppertal und eben Dortmund. In der Ruhrgebietsstadt besteht die Sondereinheit aus 20 Polizisten, die ausschließlich den Rechtsradikalismus bekämpfen.

(RP)
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