Erster Weltkrieg Viele Raritäten schlummern in Kellern

Radevormwald · Das Rader Stadtarchiv im Rathaus besitzt kaum aussagekräftige Dokumente über den Ersten Weltkrieg, der vor 100 Jahren ausbrach. Viele Bürger haben dagegen echte Schätzchen bei sich zu Hause. Auf den Aufruf der BM haben sich einige gemeldet.

 Ulrike Künz hat einige Texte, Fotos und Urkunden aus dem Ersten Weltkrieg erhalten.

Ulrike Künz hat einige Texte, Fotos und Urkunden aus dem Ersten Weltkrieg erhalten.

Foto: Jürgen Moll

Ulrike Künz blättert in ein paar Zeitungen. Sie stammen aus der Zeit des Ersten Weltkriegs (1914-1918). "Wir haben so gut wie nichts an Material, der Erste Weltkrieg ist hier kaum ein Thema", sagt die Leiterin des Stadtarchivs im Rathaus. Dass das bei einigen Radevormwaldern anders ist, erfuhr Ulrike Künz nach dem Aufruf in der BM, die Leser mögen ihre Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg schicken oder im Archiv abgeben.

"Bei den Radern schlummert so einiges im Keller, das ist schon sehr überraschend", berichtet Ulrike Künz und hebt eine blaue Kiste voll mit Dokumenten und Erinnerungsstücken an den Ersten Weltkrieg auf den Tisch im Archiv. "Da sind wirklich richtig schöne Schätzchen dabei, ich hätte nie gedacht, dass es die überhaupt noch gibt", sagt sie und nimmt einen Porzellanteller "Hindenburg" aus den Kriegsjahren 1914/1915 in die Hand. "Der Teller darf sogar im Archiv bleiben", freut sich die Stadtarchivarin.

Ein Album mit Predigten zu den einzelnen Sonntagen fällt fast auseinander, ist aber ein beeindruckendes Erinnerungsstück. "Mir war nicht bewusst, dass die Kirche schon damals einen so großen Einfluss hatte", sagt Ulrike Künz. Sie könnte sich gut vorstellen, dass solche Stücke auch mal im Heimatmuseum in einer Ausstellung gezeigt werden. Auch das Stadtarchiv könnte durchaus Dinge aus dem Ersten Weltkrieg sammeln. "Da würde ich schon gerne was aufbauen", sagt sie. Die BM-Leser haben für einen beeindruckenden Rücklauf gesorgt: Postkarten mit Motiven von Soldaten, der Eroberung der ersten französischen Fahne, von der Bahnstrecke Cöln-Aachen sowie Brüssel-Paris oder Feldpostkarten vom 7. Juli 1915 mit einem Gruß aus Hamburg oder aus dem Mannschaftsspeisesaal mit dem Anschreiben "Liebe Ella".

In vielen Postkarten fällt das Wort "Fräulein" - "das würde heute so keiner mehr schreiben", sagt Ulrike Künz. Den Wert dieser Erinnerungsstücke könne sie schwer schätzen. Bei entsprechenden Sammlern hätten die Stücke sicher auch einen materiellen Wert, aber für sie als Stadtarchivarin stehe eindeutig der ideelle Wert im Vordergrund. "Dieses silberfarbene Schmuckkästchen, das ist irre. Leider ist es schon leicht beschädigt", sagt Ulrike Künz. In einem großen Bildatlas von 1919 mit 2464 (!) Abbildungen, Karten und Urkunden auf fast 400 Seiten finden sich tolle Aufnahmen, gestochen scharf. Auch farbige Karten sind unter den Sammlerstücken. Dazu ein altes Poesiealbum in schwarzem Einband zum Verschließen. "Da wird Geschichte lebendig und hautnah erlebbar, weil da jemand ganz viel erlebt hat", sagt Ulrike Künz.

Auch ein Familienstammbuch wurde im Archiv abgegeben - etwas zerfleddert, aber noch gut lesbar. Ein Dokument berichtet davon, dass Wilhelm Sondermann 1914 den Heldentod starb und die Angehörigen dafür das Ehrenkreuz für Hinterbliebene erhielten - mit der Aufschrift "Euch, die ihr Blut und Leben fürs Vaterland gegeben, mit edlem Heldenmut, schenk Gott zum Ehrenlohne des ewgen Lebens Krone und uns der Freiheit heilges Gut".

Ulrike Künz wundert sich, dass zu damaliger Zeit so viel auf Fotos festgehalten wurde. "Ich finde es unglaublich, dass das noch nicht auf dem Müll gelandet ist", sagt sie. Die Leute hätten viel Herz für die Geschichte und wollten die Erinnerungen unbedingt erhalten. Der Zweite Weltkrieg finde bei Schulklassen viel mehr Beachtung. Immer wieder besuchen Schüler das Stadtarchiv, um Wissenswertes über die Zeit von 1933 bis 1945 zu erfahren.

"Bislang habe ich hier nur eine Schulklasse begrüßt, die sich genauer mit dem Ersten Weltkrieg auseinandersetzen wollte", berichtet die Leiterin des Archivs. Diese Zeit scheine nicht so im Bewusstsein der Menschen zu sein.

(RP)
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