Ratingen "Es ist doch ein komisches Gefühl"

Ratingen · Was Ratinger Buchhändler über die umstrittene Neuauflage von Hitlers "Mein Kampf" mit wissenschaftlicher Kommentierung denken, die ab heute lieferbar ist.

 Wegschließen würde das Buch nur überhöhen, sagt Annette Gansen vom Buchcafé.

Wegschließen würde das Buch nur überhöhen, sagt Annette Gansen vom Buchcafé.

Foto: Blazy, Achim (abz)

Es ist wieder da. Hitlers Propagandabuch "Mein Kampf" ist ab heute in jeder Buchhandlung zu bekommen. Das Münchener "Institut für Zeitgeschichte" (IfZ) hat den Text als kritische, wissenschaftliche Gesamtauflage mit rund 5000 Kommentaren versehen. Aus ursprünglich 800 wurden so 2000 Seiten.

Der am Londoner Kings College lehrende Jeremy Adler, emeritierter Professor für Deutsche Literatur, wettert gegen die Neuauflage des "erbärmlichen Machwerks": Gegenüber dieser "Spottgeburt aus Mord und Wahn" höre jedes Kommentieren auf; das "absolut Böse" lasse sich nicht editieren. Wie stehen die Ratinger Buchhändler zum frisch gedruckten Wiedergänger?

"Ich habe selbst keine Textkenntnis und werde es mir anschauen, schon um in der Buchhandlung Auskunft geben zu können", sagt Sven Rabanus, Geschäftsführer der Altstadtbuchhandlung auf der Lintorfer Straße. Ohne Zahlen zu nennen, hat er ein "lebhaftes Interesse" der Ratinger Buch-Freunde festgestellt: "Es gab doch etliche Vorbestellungen." Allerdings kenne man seine Kunden - und da ist Rabanus absolut sicher: "Es steckt jeweils ein seriöses Interesse oder einfach auch nur Neugierde dahinter."

Es sei besser, sich mit einem solchen Werk auseinanderzusetzen als es einfach nur im Giftschrank wegzuschließen. Keinesfalls werde man das Buch bestellen, um es zwischen anderen Titeln im Regal zum Kauf anzubieten. "Aber wer zu uns kommt und es bestellt, bekommt seinen Wunsch erfüllt."

Uwe K. Frohns, Inhaber von "Spiel und Buch" im Arkadenhof in Mitte, würde diese Neuerscheinung am liebsten dort lassen, wo sie derzeit auf Paletten lagert: beim Buch-Grossisten: "Es hat niemand auf dieses Buch gewartet. Und es bringt keine neuen Erkenntnisse", sagt er sehr entschieden. Weder im Rahmen des Weihnachtsgeschäfts noch in den Tagen danach sei überhaupt nach diesem Buch gefragt worden. Vorbestellungen gebe es keine einzige. Die thematisch gestalteten Schaufenster der Buchhandlung widmen sich just der Überschrift "Unsere Welt - die Erde" und "Den schönsten Deutschen Büchern". Eine Auslage zur jüngeren deutschen Geschichte kann er sich - "beim besten Willen überhaupt nicht" vorstellen, sagt Frohns. Wenn allerdings jemand in den Laden käme und die Münchener Neuauflage bestellen würde, dann würde er diesen Auftrag auch ausführen: "Wir wollen keine Zensur ausüben, aber ich selbst werde dieses Buch nicht lesen wollen."

 Historische Ausgaben von "Mein Kampf" aus dem NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln.

Historische Ausgaben von "Mein Kampf" aus dem NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln.

Foto: epd

Die Sache mit der Zensur sieht auch Anne Gansen so, die gemeinsam mit Bernhard Schultz seit gut 30 Jahren das Buch-Café Peter und Paula an er Grütstraße betreibt: "Aber Hetzschriften sollten nicht in den Umlauf kommen. Deshalb bin ich da nicht in einem Satz mit fertig." Eine Kundin habe die kommentierte Neuauflage bereits im Dezember bestellt, "eine sehr integre, politisch interessierte Frau." Buchhändlerin Gansen gesteht, dass man so eine Bestellung nicht einfach so eintippe: "Man hat doch ein komisches Gefühl.

Andererseits sei "Mein Kampf" auch in den vergangenen Jahren zu bekommen gewesen - in Antiquariaten, nach höchstrichterlichen Urteilen. "Gerade für junge Menschen ist es wahrscheinlich besser, offen mit Hitlers Schrift umzugehen", gibt sie zu bedenken. Es für immer wegzuschließen, verschaffe "Mein Kampf" eine Aura der Überhöhung, die diesem Buch gar nicht zukomme. "Und wenn dann noch Historiker kritische Anmerkungen dazustellen..." Aber auch beim "Buch-Café Peter und Paula" wird es dieses Buch nur auf besonderen Wunsch geben.

(dn)
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