Ratingen Als Ratingen noch drei Lichtspielhäuser hatte

Ratingen · Drei Kinos mit mehr als 2000 Plätzen bereiteten den Ratingern abendliche Kurzweil. Schon vor dem Ersten Weltkrieg hatte es ein Kino gegeben, später kamen zwei weitere dazu. In den Lichtspielhäusern gab es nicht nur Filme - sie waren kulturelle Zentren.

 Die Filmrolle war gestern, jetzt läuft alles digital (von links): Margarete Papenhoff, Filmvorführer Heinz Althaus und Gabriele Rosslenbroich lassen jetzt mit 1400 Watt und einem 1,7 Terabyte-Speicher arbeiten.

Die Filmrolle war gestern, jetzt läuft alles digital (von links): Margarete Papenhoff, Filmvorführer Heinz Althaus und Gabriele Rosslenbroich lassen jetzt mit 1400 Watt und einem 1,7 Terabyte-Speicher arbeiten.

Foto: achim blazy

"Mach dir ein paar schöne Stunden - geh' ins Kino" hieß ein weit bekannter Werbeslogan in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Und dazu wurde dann eigens das Eiskonfekt erfunden, bei dem Vanille-Eis in dunklen Schokowürfeln verborgen war und das aus der kleinen Pappschachtel ohne große Schmierereien zum Liebesfilm genascht werden konnte. Das war sozusagen das Pendant zu aktuell üblichen Popcorn-Eimern und süßer Brause, hilfsweise zu Tacos an stark riechenden Käsecremes.

 Das "Metropol"-Kino im Karneval. Es war drinnen ein prachtvolles Etablissement mit Kronleuchter, rotem Samt und familientauglichen Streifen. Dort wurden auch kirchliche Veranstaltungen abgehalten.

Das "Metropol"-Kino im Karneval. Es war drinnen ein prachtvolles Etablissement mit Kronleuchter, rotem Samt und familientauglichen Streifen. Dort wurden auch kirchliche Veranstaltungen abgehalten.

Foto: lintorfer heimatfreunde

Das erste Ratinger Kino, das schon vor dem Ersten Weltkrieg stumme, theatralische Streifen bot, war 1912 eröffnet worden und gehörte der Ratinger Familie Höhndorf. Ab 1930 konnten die Bilder dort nicht nur laufen, sondern auch sprechen, hieß das Kino nicht nur "Lichtspielhaus", sondern "Capitol" und hatte 540 Plätze. Sein Erbe hat der Ratinger Kaufmann Albert Köster nicht nur in Ehre gehalten, sondern liebevoll aufgehoben und ansprechend in seinem kleinen Filmmuseum an der Brunostraße aufgebaut. Das Museum ist allerdings inzwischen geschlossen.

 Im "Lichtspielhaus" der Familie Höhndorf an der Oberstraße flimmerten ab 1912 Stummfilme über die Leinwand. Es hieß später "Capitol".

Im "Lichtspielhaus" der Familie Höhndorf an der Oberstraße flimmerten ab 1912 Stummfilme über die Leinwand. Es hieß später "Capitol".

Foto: heimatfreunde lintorf

Das "Capitol" präsentierte auf der Oberstraße seine Streifen dort, wo jetzt dm eine Filiale betreibt. Nur wenige Häuser stadtauswärts - dort, wo jetzt die Parfümerie Platen duftet - flimmerten überwiegend familientaugliche Streifen im "Metropol". Als dieses Lichtspieltheater im Jahr 1950 eröffnet wurde, jubelte die Rheinische Post: "In dieser Woche wird das neue Kino eröffnet, ein Theater für Film und Bühne, das auf dem Gelände des früheren Strucksbergschen Saales erbaut und modern eingerichtet worden ist. Für das kulturelle Leben ist besonders bedeutungsvoll, dass mit dem Theater eine neuzeitliche Bühne erstellt wurde, die die Aufführung von Schauspielen, Opern und Operetten zulässt." Bauherr war der Mettmanner Kaufmann Josef Rosslenbroich, der bereits in Mettmann ein Kino betrieb. Das wiederum ist das älteste deutsche Kino, wie der Filmhistoriker Gerd Albrecht ermittelte.

 In der "Schauburg" an Karl-Theodor-Straße liefen vor allem Western und andere Reißer.

In der "Schauburg" an Karl-Theodor-Straße liefen vor allem Western und andere Reißer.

Foto: heimatfreunde lintorf

Das "Metropol" war ein prachtvolles Etablissement, mit Platz auf rotem Cordsamt für gut 800 Zuschauer, gemütlichen Sofas im Foyer, einem Springbrunnen mit Goldfischen. Der blitzende Kronleuchter hatte einen Durchmesser von 1,50 Meter, es blitzte Messing, Pflanzen schmückten allenthalben die Örtlichkeiten, in der Weihnachtszeit gehörte ein Christbaum auf die Bühne.

 Das heutige Kino 1+2 auf der Lintorfer Straße.

Das heutige Kino 1+2 auf der Lintorfer Straße.

Foto: blazy

Alles war so gesellschaftskonform, dass auch die katholische Kirche Veranstaltungen im "Metropol" abhielt. Und an den Filmen war nichts auszusetzen. Mit zwei Mark war man in einer Aufführung, die meistens ausverkauft war, wurde von freundlichen Damen, den Anweiserinnen, die ihre Taschenlampen dezent auf den Boden richteten, zum richtigen Platz geleitet, lutschte Schoko-Pfefferminz-Linsen oder besagtes Eiskonfekt.

Das dritte Ratinger Kino hieß "Schauburg" und war über einen Zugang im oberen Teil der Karl-Theodor-Straße erreichbar. Dort ritten die Cowboys über die Leinwand, waren die ganz harten Streifen im Angebot. Aber die "Schauburg" hatte durchaus ihr geneigtes Publikum und konnte deshalb bis zum Jahr 1966 ihre beliebten Reißer bieten, während die beiden anderen Kinos schon 1963 ihre Türen geschlossen hatten.

Wer Filme anschauen wolle, musste sich in ein Multiplexkino in der Nachbarschaft begeben oder auf dem heimischen Sofa in der Glotze nach einem Film Ausschau halten. Das Kinosterben, wie es schon damals genannt wurde, hatte eben auch vor Ratingen nicht Halt gemacht.

Doch die Zeit und unternehmerischer Geist arbeiteten für die Zeitgenossen, die lieber in einem kleinen Kino ordentliche Streifen ansehen wollen, zu Fuß, und nicht mit dem Auto, dorthin gelangen wollen und sich auch mal nach einem Einkaufsbummel spontan für einen cineastischen Knaller entscheiden wollen. Also eröffneten die Töchter von Josef Rosslenbroich, Gabriele Rosslenbroich und Margarethe Papenhoff, genau ein Jahrzehnt nach dem Abschied vom letzten Ratinger Kino ihr Doppelangebot im Minoritenkloster.

Sie lassen sich immer wieder spezielle Angebote einfallen - einmal ist es das Kirchenkino, bei dem man den Besuch des Films mit einem Essen im Pfarrzentrum und anschließender Diskussion kaufen kann, mal sind es die Frauenfilmtage, zu denen ein Glas Sekt gehört, dann wiederum gibt es nachmittags einen synchronisierten Film, denselben abends in seiner Originalsprache.

Und alles ist schon digitalisiert.

(RP)
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