Ratingen Bankräuber bleibt freiwillig im Gefängnis

Ratingen · Vor 18 Jahren hat Roland R. die Commerzbank in Mettmann überfallen. Er wurde zu neun Jahren Haft mit Sicherungsverwahrung verurteilt.

Seit 16 Jahren sitzt Roland R. im Knast. Raus will er nicht. Warum auch? Mit seinen Nymphensittichen Hanni und Nanni hat er es sich in seiner Einzelzelle mit Badezimmer gemütlich gemacht. Morgens setzt er sich aufs Mountainbike, danach geht's weiter ins Berufsinformationszentrum. Dort bildet sich der verurteilte Bankräuber weiter - unter anderem in Sachen "Business mit Stil". Als ihn mittags der kleine Hunger packt, speist der 61-Jährige im Cafe. Es folgt die tägliche Recherche inmitten juristischer Fachliteratur in der Stadtbibliothek. Danach gönnt er sich noch ein Eis, um kurz darauf pünktlich im Knast eincheckt.

Begleitet hat ihn dabei Nicole Cosic. Die Stern TV-Redakteurin hat auch mit der Leiterin der JVA Aachen und mit dem Anwalt von Roland R. gesprochen. Für die eine ist er ein Querulant mit Geltungsbedürfnis, für den Juristen ist sein Mandant ein Phänomen. Nahezu 100 Verfahren hat R. gegen die JVA geführt, um sich seinen gehobenen Lebensstandard als Sicherungsverwahrter mit besonderen Privilegien zu erstreiten. Und vor allem auch, um nicht plötzlich doch noch entlassen zu werden. Denn das will der Mann auf keinen Fall. "Die Leute draußen haben doch diesen ganzen negativen Stress. Freiheit ist nun mal nicht alles", plaudert der verurteilte Bankräuber munter drauflos. Seine Situation findet er selbst skurril. Dass Außenstehende vermutlich den Kopf schütteln, wundert ihn nicht.

Weniger gesprächig ist er hingegen, wenn es um seine kriminelle Vergangenheit geht. Aber genau da wird es für uns interessant. Denn die ganze Geschichte würde es ohne ein besonderes Detail gar nicht geben: Im Mai 1998 hat Roland R. die Mettmanner Commerzbank überfallen. In aller Seelenruhe marschierte er morgens in die Filiale, um dem Filialleiter eine Stunde lang die Pistole an den Kopf und eine Handgranate vors Gesicht zu halten. "Ich habe Kundengespräche am Telefon geführt und den Postboten empfangen", erinnert sich der Filialleiter später im Gespräch mit RP-Redakteur Christoph Zacharias an den Überfall. Er habe warten müssen, bis seine Mitarbeiterin mit dem zweiten Schlüssel kommt, um den Tresor öffnen zu können. R. sperrt den Filialleiter und drei Angestellte in den Tresorraum und packt noch schnell 356.000 Mark in die Tasche. Als die Polizei kommt, ist er längst über alle Berge. Vor seinem eiligen Abgang hinterlässt er jedoch unfreiwillig sein Gesicht auf der Aufnahme einer Überwachungskamera. Eine kleine Unpässlichkeit, die ihm zwei Jahre nach seiner kriminellen Stippvisite in Mettmann zum Verhängnis werden sollte. Zuvor hatte der arbeitslose Elektroniker 600.000 Mark auf sein Konto eingezahlt. Als er schließlich in einer Sparkassenfiliale in Ratingen-Homberg erneut zur (Straf)Tat schreiten wollte, wartete dort bereits ein Sondereinsatzkommando.

Das Landgericht Düsseldorf verurteilte Roland R. später wegen schweren Raubes zu 9 Jahren Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung. Die Psychologen hatten zuvor schriftlich mitgeteilt, dass es mit ihm weitergehen könnte auf der schiefen Bahn. Welch ein "Glück" für den Bankräuber, der auch jetzt noch alles daran setzt, dass sich die Türen zur Freiheit bloß nicht öffnen. "Ohne meine Unterschrift geht da gar nichts", ist sich Roland R. sicher. Und als NRW-Justizminister Thomas Kutschaty bei Stern-TV kleinlaut zum luxuriösen Lebenswandel des eigentlich Sicherungsverwahrten Stellung nehmen soll, tun sich wahre Abgründe auf. Auch ihm ist klar, dass eine Entlassung in die Perspektivlosigkeit keinen Sinn hätte. Nicht nur die Leiterin der JVA Aachen mutmaßt bei einem solchen Szenario, dass Roland R. auf direktem Wege in eine Bank marschieren würde. Und das vermutlich nicht, um dort Geld aufs Konto einzuzahlen. Man müsse ihm Wohnung und Job besorgen - und die Umzugskosten bezahlen, weiß Roland R. Und er weiß auch, dass er ein Wörtchen mitzureden hat, wenn es um seine Zukunft geht. Er hatte schließlich genug Zeit, um sich in der Bibliothek durch die einschlägige Fachliteratur zu lesen. In der JVA avancierte er damit zum "Beschwerdefürst" - der nun offenbar das juristische Personal am Nasenring durch die Manege führt. Und das für 260 Euro am Tag, die seine Unterbringung den Steuerzahler kostet.

Mittlerweile wurde Roland R. übrigens in die JVA Werl verlegt. Mit im Umzugsgepäck: Seine Nymphensittiche Hanni und Nanni. Und sein Laptop, den er sich vom Ersparten geleistet hat. Leider ist Werl nun mal zu provinziell für gehobene Ansprüche. Deshalb reist Roland R. nun lieber für Ausflüge nach Dortmund. Draußen ist er übrigens ziemlich oft: In den letzten zwei Jahren waren es 600 Tage. Ob er zwischenzeitlich auch mal wieder in Mettmann vorbeigeschaut hat? Wir wissen es nicht.

(RP)
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