Interview mit Kirsten Schmid und Britta Franke "Bei uns lernen Jugendliche nähen und helfen"

Ratingen · Schneidermeisterin Schmid und Caritas-Ehrenamtskoordinatorin Franke starten ein neues Projekt: das "Nähstübchen" für junge Leute.

 Kirsten Schmid (l.) und Britta Franke freuen sich auf den Workshop-Auftakt am übernächsten Freitag bei Pro Donna in Langenfeld.

Kirsten Schmid (l.) und Britta Franke freuen sich auf den Workshop-Auftakt am übernächsten Freitag bei Pro Donna in Langenfeld.

Foto: MATZERATH; Gutmann

Sie laden Jugendliche in ein "Nähstübchen" ein. Darunter kann ich mir etwas vorstellen. Aber was bedeutet das Motto? "Im Doppelpack Taten wirken lassen"?

Franke Das Motto macht deutlich, wie Engagement heute auch aussehen kann. Die Teilnehmer lernen nähen, entwickeln neue Fähigkeiten. Gleichzeitig stellen sie im Sinne des "Upcyclings" aus alten Kleidungsstücken neue Dinge wie Taschen oder Rucksäcke her, was besonders ressourcenschonend und nachhaltig ist. Zu guter Letzt werden einige der Neukreationen verkauft. Der Erlös kommt dem Projekt "Pro Donna" des SkF zugute. Man lernt also nicht nur Nähen, sondern haucht alten Kleidungsstücken neues Leben ein und sammelt damit auch noch Geld für ein gutes Projekt.

Müssen die Teilnehmer Vorkenntnisse im Nähen mitbringen?

Schmid Nein, es sind keine Vorkenntnisse erforderlich, aber von Vorteil. Die Teilnehmenden werden individuell unterstützt und angeleitet.

Rechnen Sie auch mit Anmeldungen auch von Jungen?

Schmid Bisher haben sich keine Jungen angemeldet, aber sie sind natürlich herzlich willkommen. In unseren Maßnahmen und als Praktikanten haben wir auch männliche Teilnehmer. Der Arbeitsbereich (Schneiderhandwerk) ist derzeit (noch) überwiegend weiblich geprägt, möglicherweise weil er auch nicht so gut bezahlt wird.

Sie wollen mit dem "Nähstübchen" junge Leute für den Dienst am Nächsten begeistern. Ist das heute schwieriger als früher?

Franke Das klassische Ehrenamt ist für junge Menschen, für die Zeitmangel und der Wunsch nach Selbstverwirklichung prägend sind, oft nicht umsetzbar und attraktiv. Der Wunsch nach flexibler Einbringung und begrenzten Einsatzzeiträumen steigt. Die wenige Zeit, die Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Turbo-Abi, Studium, der Ausbildung oder dem Arbeitsalltag bleibt, nutzen sie gut für sich und ihre Anliegen. Neben der "Sinngebung" eines Engagements, rücken auch Aspekte wie die Schaffung von Gestaltungsräumen, das Erlernen neuer Fähigkeiten und die Möglichkeit zur Einbringung eigener Ideen immer mehr in den Vordergrund. Unsere Themen und Aktionen orientieren sich an den Interessen junger Leute. Wer kennt es nicht aus eigener Erfahrung: Man setzt sich dafür ein, wofür man brennt.

Also eher projektorientierte Angebote als ständige Mitgliedschaft?

Franke Ja - ohne damit zu sagen, dass dauerhaftes Engagement damit erledigt wäre. Doch die Angebote müssen sich aktuellen Entwicklungen und Rahmenbedingungen anpassen. Dafür braucht es neue Formen des Engagements. Wir hoffen, dass wir mit dem "Nähstübchen" eine solche Form gefunden haben.

"Upcycling" scheint ebenfalls im Trend zu liegen. Warum?

Schmid Ich würde sagen: Weil es notwendig ist. Einerseits sind die Ressourcen begrenzt - bei vielen Menschen hat daher ein Umdenken stattgefunden. Sie möchten Dinge länger nutzen und wieder- und weiterverwerten. Anderseits möchten die Menschen individuelle Designs, die es so nicht noch einmal gibt, nutzen. In unserer Schneiderwerkstatt können wir fast alle stofflichen Materialien verwenden, vom Autogurt, über Kleidung, Planen, Leinen, Lederreste . . . Der Upcycling-Gedanke betrifft eben auch viele Lebensbereiche: Möbel, Kleidung, Schmuck, Haushalt . . .

Das Nähstübchen findet in Kooperation statt zwischen "youngcaritas", SkF und katholischer Jugendagentur. Was kann die "youngcaritas", was die Caritas nicht kann?

Franke Die youngcaritas hat sich die Förderung von jungem Engagement auf die Fahne geschrieben. Der offiziellen Definition nach ist sie "die Plattform der Caritasverbände für soziales Engagement junger Menschen". Aktionen und Angebote der youngcaritas sind niederschwellig und unkompliziert. Wir gehen in Sachen Engagement ungewöhnliche Wege und probieren Neues aus. Dafür braucht es Gestaltungsräume, die Möglichkeit zur Einbringung eigener Engagementideen und Unterstützung bei deren Umsetzung. Gleichzeitig kann die youngcaritas spontan und flexibel auf Themen reagieren, die junge Menschen bewegen. Die Herangehensweise ist eine andere, die Wurzeln sind dennoch die gleichen wie bei der Caritas. Jeder, der sich engagieren oder eigene Ideen einbringen will, ist herzlich willkommen. Hierbei sind die jungen Leute keine Mitglieder.

Die youngcaritas ist also keine klassische Jugendorganisation?

Franke Nein, vielmehr eine Art "Initiative". Dabei ist die Kooperation und Vernetzung mit anderen Akteuren für uns wichtig: Bei der Entwicklung des "Nähstübchens" hat uns Friederike Sahling, die youngcaritas- Ansprechpartnerin im Erzbistum Köln, mit ihren Erfahrungen und ihrem Know-How unterstützt. Außerdem ist die katholische Jugendagentur ein wichtiger Kooperationspartner für uns, da die Kolleginnen und Kollegen nah an den Jugendlichen dran sind. Oliver Karcz hat als Jugendreferent gute Kontakte zu Jugendlichen aus der Jugendarbeit und weiß, was ihre Themen sind.

Was ist als nächstes geplant?

Franke Von Mai bis Oktober findet wieder im ganzen Kreis Mettmann der "social summer" statt. Bei dieser Sozialaktion geht es darum, dass Jugendliche sich an einem Tag für Arme, Kranke, Alte, Kinder oder Benachteiligte einsetzen. Außerdem möchten wir uns im September gerne an der deutschlandweiten youngcaritas-Aktion "GemeinsamZeit" beteiligen. Diese bietet die Gelegenheit, dass Menschen unterschiedlicher Generationen oder unterschiedlicher Herkunft Zeit miteinander verbringen, sich kennenlernen - und hoffentlich viel Spaß zusammen haben. Ansonsten freuen wir uns, wenn wir junge Menschen dabei unterstützen können, eigene Ideen umzusetzen.

(RP)
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