Ratingen Brummi ist mit 60 stolze 1250 Euro wert

Ratingen · Alle zwei Monate kann man im Museum Ratingen Puppen, Bären und anderes Spielzeug schätzen lassen.

 Expertin Bettina Dorfmann begutachtet eine rund 60 Jahre alte Schildkröt-Puppe. Sie bringt auf dem Markt noch 60 bis 80 Euro.

Expertin Bettina Dorfmann begutachtet eine rund 60 Jahre alte Schildkröt-Puppe. Sie bringt auf dem Markt noch 60 bis 80 Euro.

Foto: achim blazy

Brummi steckte vor rund 60 Jahren in der Tasche eines braunen Teddy-Anoraks und verschwamm mit seinem Braun zu einem kuscheligen Etwas. Brummi lungert nun auf einer Couch herum, hat eher kreisrunden Haarausfall, mit Hexenstich reparierte Filzfüße und schaut immer noch niedlich aus den Knopfaugen. Auch dann, als Bettina Dorfmann vom Ratinger Puppen- und Spielzeugverein ihn greift und ihn schätzt.

Wohlgemerkt: den Wert schätzt, nicht seinen Liebreiz. Hätte er keinen Haarausfall, könnte seine Besitzerin mit etwas Glück um 1250 Euro bei einem Verkauf erzielen. Mit dem abgeliebten Fell wären vielleicht immer noch 800 Euro drin. Weil er noch den Knopf im Ohr hat. Allerdings gäbe es das Geld nicht an Ort und Stelle im Museum, sondern im freien Verkauf oder bei einer Auktion.

Dahin wird auch eine Dame verwiesen, die Puppen und Plüschtiere geerbt hat und nun mit ihrem Zoo aus Breckerfeld angereist ist. Während die Tiere allenfalls ein bisschen verstaubt wirken, zerbröselt die "Inge" von Schildkröt schon beim Zusehen. Sie hat die Tour vom nordwestlichen Sauerland bis nach Ratingen nicht wirklich gut überstanden

Altes Celluloid ist eindeutig auf dem absteigenden Ast. Es wird nicht mehr hergestellt und dient - wie Inges Extremitäten - allenfalls als Material-Steinbruch für andere ramponierte Inges. Immerhin ist ihr Spitzenkleid noch Spitze und wird für ein paar Euro dem Vereinsfundus zugeschlagen.

Die meisten Puppenkliniken existieren nicht mehr, so dass Puppenbesitzer weite Wege in Kauf nehmen, um Ersatzteile und Reparaturtipps zu bekommen. Dafür ist Ratingen eine tolle Empfehlung. Der Puppenverein, der im Auftrag der Stadt samstags und sonntags das Puppen- und Spielzeugmuseum betreut, geht mit wirklicher Leidenschaft ans Werk. Seit zwei Jahren sind die Fachfrauen für Puppen und Spielzeuge im Trinsenturm am Wehrgang zu Hause und haben ein treues Publikum.

So finden sich ziemlich oft unter der Woche Kaffeeklatsch-Gesellschaften ein, die erst mit Begeisterung die Ausstellung besuchen (eine Führung kostet 40 Euro, dazu kommt der Eintritt von 1,50 Euro pro Person) und anschließend im Museum der Stadt an der Grabenstraße ihren mitgebrachten Kuchen auspacken und einige Tässchen Kaffee dazu kaufen.

Die Damen des Puppenvereins, die zweimal wöchentlich den Turm aufschließen, um ihre liebenswerten Ausstellungsstücke zu zeigen, haben über die interessierten Erwachsenen hinaus noch eine ganz andere Fan-Gemeinde: Kinder, meist aus der Nachbarschaft, die eine Pause beim Spielen machen und sich im Turm umsehen, ob und was es Neues gibt. Da der Eintritt erst ab 18 Jahren fällig wird, können sie ohne Probleme mal gucken kommen. Die Besucher der Schätz-Termine kommen nicht nur mal vorbei, sie harren meist wacker aus; manche warten auch bei mehreren Terminen darauf, dass ihre von Kind an hochgeschätzten kleinen Lieblinge oder die geerbten Schätzchen geschätzt werden.

Beim jüngsten Termin erschien dann eine Besucherin, die nichts schätzen lassen wollte, sondern eine ganze Truppe von "Erstlingspuppen" zum Weiterreichen da ließ: Prachtstücke mit Neugeborenen-Gewicht, -Aussehen, -Eindruck. Daran hatten Generationen von Hebammen gelernt, wie man denn nun die echten "Frischlinge" richtig und liebevoll in ihrer ersten Lebenszeit behandelt. Allein - es sah schon sehr merkwürdig aus, wie sie da, zu einem Babyberg gestapelt, auf der Fensterbank ruhten.

(gaha)
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