Heiligenhaus Bunt wie das Leben

Düsseldorf · Im Jugendkulturcamp wird nicht nur gefeiert, sondern auch emsig gearbeitet. Der Mosaik-Workshop beispielsweise wagt sich an das große Ganze. Die Teilnehmer hatten nicht viel Zeit, um sich kennenzulernen, verstehen sich aber trotzdem blendend. Sinnvolle Arbeit verbindet eben.

Kies knirscht unter den Sohlen. An der Pforte zum waldigen Vogelsangbachtal informiert ein Schild: Die ansässigen Schafstelzen, Dompfaffen und Zaunkönige sind auch in ganz Europa beheimatet. Und das sieht und hört auch die bunt gemischte Gruppe junger Europäer, zu Gast im Jugendkulturcamp, wenn sie morgens den Weg zum Waldmuseum antritt. Auf dessen Hof wird derzeit emsig gewerkelt, begleitet von Vogelgezwitscher – sehr idyllisch also.

Weiße Lastwagenplanen überspannen Baumstümpfe und Steine, Splitter und Staub. An der Hauswand des ehemaligen Wasserwerks balancierten am Mittwoch sieben Teilnehmer auf Multiplex-Platten, die sie auf Getränkekästen aufgelegt hatten. Die erfinderischen Konstrukteure gehören zum Mosaik-Team.

Ruth Minola Scheibler (30) leitet die Gruppe rund um das Mosaik, das auf zehn Quadratmetern blitzt und funkelt, grün und blau, vereinzelt auch mit Spiegelsplittern. Dort, wo der Himmel entstehen soll, klaffte am Morgen noch der blanke Hintergrund.

"Wir arbeiten an einer Eiche, die sich im Wasser spiegelt", so Minola Scheibler. Der Baum ist für das Camp wichtig. Er verwurzelt den Gedanken der Robin Hood Saga – Robin als Paradebeispiel für einen mutigen Charaktermenschen – zentral auf dem Platz.

Erst einmal müssen Kacheln mit Hammer und Fliesenschneider zerkleinert werden. "Und mit einem Tagliolo", ergänzte die Leiterin, auf eine keilartige Vorrichtung zeigend. Die deutsche Bezeichnung fiel ihr nicht gleich ein, ihren Meister hat sie in Italien gemacht. Für Italiener sei dieses Handwerk eine Kunst und die Frau, die diese beherrscht, werde respektvoll "Mosaicista" genannt. Hierzulande hieße sie ganz schnöde "Fliesenlegerin".

Doch wie ist es, im Camp zu arbeiten? Caitlin aus England, Caroline aus Heiligenhaus, Dimitrijs aus Lettland, Hope aus Schottland, Maria aus der Ukraine, Mélanie aus Frankreich und Weronika aus Polen haben intensiv gearbeitet, auch im Regen. Jeder Stein sei mindestens zweimal durch die Hände gegangen, so Scheibler. Sie mussten schnell anfangen, um vorwärts zu kommen. Darum seien keine Gespräche zum Kennenlernen möglich gewesen. Die Verbundenheit sei aber trotzdem entstanden. Sie habe sich eingestellt, als sie sich nebeneinander konzentrierten, durchschnauften und immer wieder Abstand nahmen, um das Kunstwerk aus der Distanz zu betrachten.

Der Charme des Mosaiks, das fortan seinen Platz an der zur Lichtung gelegenen Wand der ehemaligen Wasser- und heutigen Gaswerke Heiligenhaus haben wird, entstehe durch "die Vielfalt der Hände". Dem Einen quille der Fliesenkleber zwischen den Scherben empor, der Andere verfuge die Bruchstücke akribisch. Darum müssen die Plätze oft getauscht werden. "Beim Mosaik trägt jeder etwas Kleines zum großen Ganzen bei. Genauso ist das auch mit Europa", sagt die Mosaicista.

Und wie steht es um das "große Ganze", wenn alle wieder zuhause sind? In Kiel, in Polen, in der Ukraine? Weronika aus Zimnice Wielkie (Groß Schimnitz) in Polen knüpft Freundschaften. Die Neunzehnjährige geht auf eine Ökonomieschule, macht im Spätsommer das Abitur mit Sprachen-Schwerpunkt. Deutsch hat sie durchs Fernsehen als Kind schon aufgeschnappt, doch die Sprache will gepflegt werden, mit neuen Freunden. Die Chancen stehen gut: "Das Camp macht sehr viel Spaß", so das Urteil von Weronika.

Übrigens: Das Mosaik sieht heute und morgen als Bühnenbild, wer sich das Stück des Theater-Workshops anschaut.

(RP)
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