Ratingen Der Fleiß hat sie immer begleitet

Ratingen · Ornella Lacerenza ist das Kind einer Gastarbeiterfamilie, die 1967 nach Ratingen kam. Nun geht sie nach 35 Jahren als Mitarbeiterin in der Katholischen Familienbildungsstätte in den Ruhestand.

 Ornella Lacerenza hat den italienischen Pass behalten. Allerdings fühlt sie sich längst als Ratingerin.

Ornella Lacerenza hat den italienischen Pass behalten. Allerdings fühlt sie sich längst als Ratingerin.

Foto: a. Blazy

"Sie ist laut, lustig und loyal", sagt Kollegin Nadine Küpper. Und dann noch: "Sie wird uns fehlen." Damit ist schon mal ein Urteil in der Welt und wird herzlich belacht - auch von der Frau, um die es hier geht - um Ornella Lacerenza, die langjährige Mitarbeiterin in der Katholischen Familienbildungsstätte. Im nächsten Monat beendet die 63-Jährige ihren Dienst. Sie denkt nicht an einen Ruhestand, jetzt noch nicht. Sie hat schon noch Pläne. Und sie ist nicht wehmütig.

Wenn man denn das Klischee bemühen will, dann ist die lebhafte Frau ein klassisches Gastarbeiterkind. Der Vater zog 1959 aus Carapelle in Apulien nach Deutschland, arbeitete erst zwei Jahre im Schwarzwald. Später siedelte er über zu seinem Bruder, der in Ratingen schaffte. Man sah sich einmal im Jahr in der Heimat.

Als die Familie 1967 nach Ratingen übersiedelte, blieb Ornella zurück. Wahrscheinlich war das nicht das erste Zeichen ihrer eigenen Zielstrebigkeit. Sie blieb bei einer Tante und ging noch so lange in die heimatliche Schule, bis sie ihre Mittlere Reife hatte.

Im September 1968 kam auch sie hierher und zählte die Regentage, die von ihrer Ankunft bis in den November nicht abrissen. Ein toller Empfang. Zwar hatte sie eine herzliche Familie mit fünf Geschwistern und lieben Eltern - aber sie war ohne Freunde, ohne Sprachkenntnisse, erst einmal ohne berufliche Perspektive.

Der Vater kam mit einem abgegriffenen Wörterbuch um die Ecke, die Mutter fand weitere, tatkräftige Hilfe. Es war die Mutter ihrer Hausärztin, die ihr ab sofort Deutschunterricht gab. Wir würden heute sagen, dass sie wie bekloppt lernte. Immerhin war sie zum nächsten Osterfest in der Lage, "in Deutsch Sätze logisch und analytisch aufzubauen". Sie besuchte die Volkshochschule, um Maschinenschreiben und Steno zu lernen und schaffte schon 1970 an der Schreibmaschine 250 Anschläge und 170 Silben beim Steno. Als sie sich dann bei der Keramag um eine Ausbildungsstelle als Bürokauffrau bewarb, wurde noch eine Ecke mehr verlangt, als man sonst von Bewerbern erwartete - Ornella lieferte. Mit Fleiß, Zuversicht und Strebsamkeit.

Weitere Stationen waren Jobs in der italienischen katholischen Mission in Düsseldorf und in Bremen, sie hatte geheiratet und zwei Kinder und war auch wieder nach Ratingen zurückgekehrt. Die Kinder kamen in die Kita und Ornella Lacerenza begann ihre Berufstätigkeit da, wo sie nun, "nach 35 Jahren und sieben Monaten" Abschied nimmt.

Sie hat sich letztlich allein um ihre Kinder gekümmert, sie hat Eigentum erworben, und sie sagt: "Ich habe noch die italienische Staatsangehörigkeit, aber schon seit langem die Ratinger Stadtangehörigkeit." Vor Weihnachten schon kann sie sich um Familie, insbesondere um ihre beiden Enkel, kümmern. Das kann sie.

(gaha)
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