Kreis Mettmann Expedition ins Schulreich

Kreis Mettmann · Milla ist fünf Jahre alt und nun in der 1. Klasse. Ein altes Leben ist vorbei, ein neues beginnt. Auch für Mama und Papa.

 Milla Reimann ist fünf Jahre alt und wurde gestern eingeschult.

Milla Reimann ist fünf Jahre alt und wurde gestern eingeschult.

Foto: Uwe Reimann

Kinder sind Gäste, die nach dem Weg fragen. Afrikanisches Sprichwort

Am vergangenen Wochenende hat Milla ihren Tornister so oft ein und so oft wieder ausgepackt, als ob sie auf eine Expedition gehen würde. Immer wieder landeten Federmäppchen, Butterbrotdose und Anspitzer drinnen und wieder draußen. Es muss eine große Expedition sein, die mit Weichenstellungen für das ganze Leben zu tun hat. Das spürt Milla am ersten Schultag, den die Fünfjährige wie eine aufregende Flussdurchquerung bewältigen will. Der neue Tornister (Erstklässlercode "Toni") in Pink-Lila, mit vielen Einhörnern drauf, kleine Sternchen drumherum, ist das Sinnbild für diese Reise, die das hellblonde Mädchen nun beginnt. Milla ist Schulkind.

Dabei hat diese Reise mit ihren ersten Vorbereitungen schon vor Monaten begonnen. Mit anderen Müttern bastelte Mama vor Wochen die pastelllilafarbene Schultüte mit einer lachenden Fee drauf. Das noch in der Pinguin-Gruppe im Kindergarten.

Nun geht's als Schulkind in die Delfin-Klasse. Zu Frau Koch, der Klassenlehrerin. Die hatte sich schon vor Wochen bei Milla gemeldet und ihr einen netten Zettel geschickt. Darauf: Sieben Papierschnipsel mit je einem Wochentag, damit Milla bis zu Einschulung jeden Tag einen abschneiden kann.

Ein Ritual, wie Schulkinder es eben brauchen, wenn die Karriere vom Schnupperkind über das Vorschul- nun zum Schulkind geht. Rituale sind da wie kleine Haltegriffe, die einem auf dem holprigen Weg in die Schule Halt geben. Auch Papa fragt zur eigenen Beruhigung ja immer mal wieder nach: "Du freust dich doch bestimmt auf die Schule, oder?!"

Und Mama erinnert immer gern daran, dass Johanna, Hanna, Marlene und Anna, die Freundinnen aus dem Kindergarten, Gott sei Dank auch in Millas Klasse 1c kommen. Puuhh, was wäre gewesen, wenn nicht ein Stück behütete Kindergartenkuschelzeit mit eingeschult würde.

Rituale ordnen, und sie beruhigen noch viel mehr die Eltern. Zum Beispiel in der Kleiderfrage: Auf dem Stuhl im Kinderzimmer lagen heute Morgen alle Sachen bereit, die Milla anziehen sollte. Sie hatte sie schon vor vier Tagen ungeduldig mit Mama zusammen ausgesucht. Nach einiger Maulerei gab Milla schließlich ihr Okay für ein blaues schickes Kleid und eine dunkle Strickjacke. Eltern können in solchen Fällen lernen, wie es ist, wenn Diplomaten bei der UNO Friedensverhandlungen moderieren müssen.

Auch wenn Milla schon ihren Namen, den ihrer Freundinnen Johanna, Hanna und Marlene und ein paar andere Wörter schreiben kann, ist "die Schule" eben doch die große Unbekannte im Leben eines fünfjährigen Mädchens. "Mama, warum gibt es eine 1. und eine 2., und eine 3. Klasse? Milla kann sich kaum vorstellen, dass es nach der 1. Klasse noch mehr zu lernen übrigbleibt. Um sie nicht zu desillusionieren, gibt es von Papa natürlich keine knallhart ehrliche Antwort, sondern eher ein "Ja-aber-du-schaffst-das-schon-denn-du-bist-ja-ein-schlaues-Kind".

Man kann bei einer Fünfjährigen nun wirklich nicht alles mit der Brechstange durchsetzen. Schreibtische für Erstklässler gibt es beispielsweise in schicken Buche-Tönen. Der würde ideal unter Millas Hochbett, ebenfalls aus Holz, passen. Aber es gibt Schreibtische eben leider auch in Pink. Milla mag Pink - und ganz besonders bei Schreibtischen.

Den Zwist sollte man besser vermeiden, denn die Unruhe ist ohnehin seit Wochen Millas Begleiterin. Sie schläft abends schlecht ein, sie möchte noch mehr kuscheln als sonst, sie will das große Abenteuer Schule am besten schon vorher ganz verstehen. Geht natürlich nicht. Selbst Mama und Papa sind in der Vor-Schulzeit ja auch nervös und fragen sich manches, was eigentlich selbstverständlich ist. Kann Milla überhaupt eine halbe Stunde ruhig auf ihrem Popo sitzen bleiben? Wie schnell und sicher kann sie alleine den Schulweg gehen? Was machen wir, wenn Milla nach ein paar Tagen nach Hause kommt und sagt: "Schule ist doch nicht so cool (das Wort sagen Fünfjährige wirklich!). Ich geh wieder in den Kindergarten"?

Immerhin wird Milla erst am 30. September sechs Jahre alt, wird also immer eine der Jüngsten sein in der Klasse, denn das Gesetz bestimmt, dass alle bis zum Stichtag, 30. September, geborenen Kinder eingeschult werden. Das hatte vor allem der Mama im Frühjahr Sorgen gemacht. Ist Milla schon reif für die Schule? Die vergangenen fünf Monate haben es gezeigt: Wer schon genau weiß, "dass man manchen Menschen nicht alles direkt sagen sollte, damit sie nicht böse werden" dürfte reif sein für die Delfin-Klasse.

Mamas und Papas trösten sich letztlich damit, dass man Kinder unterstützt, ihnen hilft, sie lobt und aufbaut, ihnen Vertrauen schenkt. Doch Unterstützen heißt auch immer ein Stück weit Loslassen. Das ist irgendwie grausam realistisch. Aber beruhigt auch. Milla startet jetzt den nächsten Schritt. In eine Expedition, bei der sie sich hoffentlich mal an den Toni mit den Einhörnern erinnert. Der Papa vergisst aber ganz bestimmt den quietschpinken Schreibtisch, wenn Milla mal wirklich groß geworden ist.

(RP)
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