Ratingen Expertin für die Liebe in Heftchen-Form

Ratingen · Maya Ammerling (86) hat in ihrem frühen Leben Reportagen verfasst und im späteren Leben wenigstens 225 Heftromane geschrieben, die vier letzen im Altenheim.

Wenn sie das Wort "Arschwischer" hört, wird Maja Ammerling stocksauer. Sie lebt seit drei Jahren im Altenheim "Marienhof" und bekam in einer Fernsehsendung eben dieses Wort mit, zwar als Synonym für Altenpfleger. Die 86-Jährige setzte sich an ihren Computer und schrieb nieder, was ihr genau zu dem Thema einfiel. Die Kombination von Alter, Computer und Schreiben ist zwar nicht komplett exotisch, aber doch bemerkenswert. Das vor allem, wenn man Ammerlings beruflichen Hintergrund betrachtet: Sie hat in ihrem frühen Leben Reportagen verfasst und im späteren Leben wenigstens 225 Heftromane geschrieben, die vier letzen im Altenheim.

"Das Geheimnis vom Wallersee", Untertitel: "An seinem Grunde lauert die tödliche Gefahr" zum Beispiel entstand nach vielen intensiven Blicken aus dem zweiten Stockwerk auf das Regenrückhaltebecken im Garten des Hauses. Von oben konnte man sogar Fische sehen, und einen großen besonders gut. Der wuchs sich dann in der Geschichte zu einem Monster aus, das in der "Gaslicht"-Serie des Verlags sehr wohl als Spannungsroman für die Frau durchgehen konnte. Wer so schreiben kann wie Maja Ammerling, der braucht keinen Tsunami, der entwickelt mitreißende Geschichten aus gekräuseltem Wasser, der reüssiert in Serien wie "Mami" und "Unheimlichen Geschichten" gleichermaßen. Das, was Maja Ammerling in ihrem literarischen Leben gemacht hat - "manchmal floss auch Rotwein und mein Mann und ich haben mit großem Spaß eine Geschichte erdacht" - erforderte Fleiß und diszipliniertes Arbeiten über vier bis fünf Wochen für eine Geschichte. "Ganz früher musste man ja auch noch auf der Schreibmaschine schreiben und mit Blaupapier arbeiten; das war bei 100 Seiten, die ich abzuliefern hatte, eine ziemliche Mühe", berichtet sie, "aber als es dann Computer gab.

Erfinden und Fabulieren machten ihr nie Probleme, das Zubrot war auch nicht zu verachten. Zumindest vor ihrer Heirat hat die gebürtige Düsseldorferin ihren Lebensunterhalt mit dem Verfassen von Heften bestritten, von irrlichtender Liebe, auf Heft-Format gestutzt. Die Leserschaft ist ein eher stummes Heer und macht kein Aufhebens vom bevorzugten Lesestoff; doch der Verlag hat sicherlich nicht aus Übermut die Erstausgaben mit 500 000 Exemplaren aufgelegt, jeden Titel mehrfach nachgedruckt und auch in andere Sprachen übersetzen lassen. Und beim Pseudonym verzichtete sie nur auf die Erste Silbe ihres Namens. Über ihren Aufenthalt im Altenheim, den sich Maja Ammerling nicht wirklich erträumt und mit dem sie eine ganze Weile gehadert hat, sagt sie: "Ich fühle mich hier zu Hause." Ihr dankbarer Text über den Einsatz der Pfleger und Pflegerinnen bekommt keine Millionenauflage, findet letztlich nicht mal den Adressaten, der ihn verursacht hat. Aber nicht nur die Betreuer auf ihrer Station sind von den liebevollen Zeilen zu Tränen gerührt.

Maja Ammerling ist eine selbstbewusste, gleichwohl bescheidene Frau mit einem staubtrockenen Humor und einem klaren Blick für die Dinge: "Man sollte doch nicht Angst vor dem Altwerden haben, weil man ja nur Negatives von den Lebensmöglichkeiten im Alter gehört hat. Es geht nämlich auch anders."

(RP)
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