Hösel Leute von heute in Trachten von gestern

Hösel · Besondere Kleider aus der Vergangenheit sind viel mehr als Folklore. Das zeigt die Schau im Oberschlesischen Landesmuseum ab morgen.

 Die Journalistin Anna Swiecicka und der Musiker Krystian Czech als Hochzeitspaar mit Kleidern aus den 1920-1930er Jahren.

Die Journalistin Anna Swiecicka und der Musiker Krystian Czech als Hochzeitspaar mit Kleidern aus den 1920-1930er Jahren.

Foto: Landesmuseum/Veranstalter

Was kann man aus seiner Heimat mitnehmen, und wie viel muss man loslassen? Wie verändert sich dabei der Begriff der Heimat? Diese und weitere Fragen beleuchtet die aktuelle Ausstellung, die das Vergangene in der Gegenwart sichtbar machen möchte, im Oberschlesischen Landesmuseum (OSLM). Eröffnung ist am morgigen Sonntagnachmittag um 15 Uhr.

Heimat, eigene Herkunft und regionale Identität - das alles lässt sich (auch) mit dem Tragen von Trachten verbinden. In unserer globalisierten Welt ist die regionale Verortung ein wichtiger Bezugspunkt. Für Flüchtlinge und Vertriebene hatte das Tragen von Trachten bei Wallfahrten, landsmannschaftlichen Zusammenkünften, Vereinsfeiern und anderen Festivitäten auch die Funktion der Selbstvergewisserung in einer fremden Umgebung.

 Trachten gehörten früher ganz selbstverständlich zur normalen Bekleidung dazu. Bei Hochzeiten (Bild) spielten sie eine große Rolle.

Trachten gehörten früher ganz selbstverständlich zur normalen Bekleidung dazu. Bei Hochzeiten (Bild) spielten sie eine große Rolle.

Foto: Landesmuseum/Veranstalter

Trachten waren früher ein fester Bestandteil regionaler Volkskulturen. Heute sind sie aus dem Alltag - sieht man von gewissen ländlichen Landstrichen wie beispielsweise Bayern einmal ab - nahezu völlig verschwunden. Zuweilen begegnet man ihnen bei Festtagen und auf Volksfesten. Und stehen Festivitäten wie das Oktoberfest, traditionell in München verankert, an, gibt es sogar beim Discounter entsprechende Mode in Form fescher Dirndl oder bayerischer Hüte im saisonalen Angebot.

Die Volkstrachten im engen und weiten Umfeld Oppelns haben eine lange Tradition. Im Zuge der rasanten Industrialisierung Oberschlesiens kam das Tragen von Männertrachten um 1900 außer Mode. Als ländliches Identifizierungsmerkmal für das jeweilige Heimatdorf verlor die Tracht für die Industriearbeiter in den Städten dann allmählich, aber konsequent, an Bedeutung. Städtische Kleidung wurde stattdessen bevorzugt.

Ähnlich verlief der Prozess mit zeitlicher Verschiebung für die entsprechende Bekleidung bei allen weiblichen Wesen, der Frauentracht. Durch Flucht und Vertreibung einerseits sowie durch die Zuwanderung von Menschen aus dem ehemals östlichen Polen andererseits wurden in allen ländlichen Gebieten Oberschlesiens seit den 1960er Jahren kaum noch Frauentrachten getragen. Und selbstverständlich trugen die Emanzipation und zunehmend selbstverständliche Berufstätigkeit Evas Töchter zur Abwendung von der Tracht hin zu modisch-praktischeren Bekleidungsstücken bei.

Das Museum des Oppelner Dorfes, kurz MWO, befasst sich intensiv mit der regionalen Volkskultur. Die Trachtensammlung umfasst mehr als 1.000 Exponate. Das Konzept der aktuellen Ausstellung zu regionalen Fest- und Alltagstrachten aus der Zeit von 1900 bis 1945 ist entsprechend modern, lebendig und unkonventionell. Die grundsätzliche Idee des Museums war es, die Öffentlichkeit einzubeziehen, um die regionale Bevölkerung für dieses historische Thema zu begeistern. Darüber hinaus sollte regionales Kulturerbe vermittelt und kulturelle Bildung gefördert werden. Menschen im heutigen Oppelner Schlesien aus den Bereichen der Kultur, Wissenschaft und Kunst, aber auch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus der Region, wurden eingeladen, sich in historischen Trachten aus der Sammlung des MWO fotografieren zu lassen.

Das Ergebnis ist bemerkenswert, denn es sind farbenfrohe Großfotos, auf denen Leute von heute in Trachten von gestern posieren. Als Vorbilder dienten historische Schwarzweißaufnahmen aus der Foto-Sammlung des Museums. Sie wurden vergrößert und somit gleichgroß den aktuellen Bildern gegenübergestellt. Eine Besonderheit sind außerdem die auch im oberschlesischen Dialekt verfassten Bildbeschreibungen.

Einen Katalog mit zusammenfassendem Text in polnischer, deutscher und englischer Version ergänzte das Projekt, dessen 41 Fotos aus Oppeln mit Trachten aus den OSLM-Sammlung korrespondiert.

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