Lintorf Lintorfer Protestanten feiern ihre Kirche

Lintorf · Pläne für die evangelische Kirche Lintorf gehen auf das Jahr 1862 zurück. Fünf Jahre später - vor 150 Jahren - war der Bau fertig.

 Pfarrer Frank Wächtershäuser auf der Empore seiner Pfarrkirche.

Pfarrer Frank Wächtershäuser auf der Empore seiner Pfarrkirche.

Foto: Achim Blazy

In "Alt-Ratingen" hatte sich Anfang des 19. Jahrhunderts auf Geheiß des preußischen Königs bereits die lutherische und reformierte Kirche zur unierten zusammengeschlossen und war für den reibungslosen Ablauf mit einer goldenen Unionsmedaille beschenkt worden. In Lintorf aber lag die Gemeinde sozusagen noch am Boden.

Nur rüstige Gemeindeglieder schafften den Fußweg nach Linnep oder Ratingen; in Lintorf fand der für Reformierte eigentlich vorgeschriebene Gottesdienst nicht mehr statt, und der Hauptpfarrer aus der Gemeinde Ratingen, zu der Lintorf gehörte, war nicht bereit, nach Lintorf zu kommen

Alte Aufzeichnungen geben ein lebendiges Bild trauriger Zeiten wieder: "Am 23.9.1849 fand im Friedrichskothen nachmittags um 14.30 Uhr der erste Gottesdienst seit langer Zeit statt." Der Friedrichskothen am Lintorfer Markt 20 war jahrhundertelang das Zentrum der reformierten und evangelischen Gemeinde in Lintorf. Der Fachwerk-Winkelhof besteht aus mehreren Bauteilen unterschiedlichen Alters. an den rechterhand liegenden zweigeschossigen Teil schließt sich ein eingeschossiges Bauwerk an.

 So zeigt sich die evangelische Kirche in Lintorf heute.

So zeigt sich die evangelische Kirche in Lintorf heute.

Foto: Blazy Achim

Fünfzehn Monate später zog Pfarrer Eduard Dietrich in den recht baufälligen Hof Rüping ein. Die Gemeinde hatte immerhin endlich wieder einen Pfarrer. Aber erst drei Jahre später wurde er ordiniert und eingeführt, da die Gemeinde erst dann wieder ihre Selbstständigkeit erlangt hatte. Die räumlichen Verhältnisse im Betsaal des Friedrichskothen waren für einen Gottesdienst damals unhaltbar. "Schon wenn an normalen Sonntagen 100 Menschen kamen, war die Luft sehr stickig. An Feiertagen jedoch ächzte es derart im Gebälk, dass der königliche Bauinspektor Einspruch einlegte, so dass nun ein dringender Handlungsbedarf vorlag", heißt es in Aufzeichnungen. Also: Man musste bauen.

Bei der Gemeindeversammlung am 22. April 1862 sagten 37 Personen aus der Gemeinde verbindlich zu, den Bau einer Kirche finanziell zu unterstützen. Die Höhe der Zusicherungen lag bei umgerechnet rund 2.000 Euro pro Familie. Darüber hinaus wurden Kollekten gesammelt. Trotzdem konnte die Gemeinde kaum mehr als fünf Prozent der Baukosten aus eigener Kraft aufbringen.

 Rund 120 Jahre alt ist diese Aufnahme. Sie zeigt Pfarrhaus und Kirche um die Wende zum 20. Jahrhundert.

Rund 120 Jahre alt ist diese Aufnahme. Sie zeigt Pfarrhaus und Kirche um die Wende zum 20. Jahrhundert.

Foto: Blazy Achim

Dass die Kirche dennoch gebaut wurde, lag daran, dass Gemeinden aus dem ganzen Rheinland, ja aus ganz Europa, beträchtliche Geldsummen für den Kirchenbau in Lintorf spendeten.

Selbst die Gemeinde in Midiasch in Siebenbürgen spendete 106 Reichsthaler, nach heutigem Geld gut 8000 Euro und etwa ein Prozent der Bausumme. Noch größere Beträge kamen aus den aufstrebenden Industriestädten an Rhein und Ruhr.

Am 19. März 1866 wurde der Grundstein gelegt. Maurermeister Anton Gruiter verbaute 200.000 Ziegelsteine. Und 17 Monate später fand die Einweihung statt. Der Kirchenbau war zwar noch nicht ganz fertig - wahrscheinlich fehlte noch der Turm mit seinem abgeschleppten Fußwalmdach. Aber immerhin konnte ein Gottesdienst gefeiert werden. 1951 wurde in Angermund das Gemeindehaus für 60.000 DM gebaut.

Und die Bautätigkeit ging weiter: In den späten 70er Jahren entstand das Gemeindezentrum am Bleibergweg für drei Millionen DM. Und im Jahr 1998 wurde der neue Kirchsaal in Angermund für 1,4 Millionen DM gebaut und eingeweiht.

Pastor Frank Wächtershäuser, der gelegentlich in Brandenburg und Mecklenburg mit dem Rad unterwegs ist, berichtet in den Pfarrnachrichten: "Dort treffe ich oft auf herrlich renovierte Kirchen, die oft auch noch den Mittelpunkt eines Dorfes bilden. Doch nur noch selten findet darin ein Gottesdienst statt. Sie sind umgewidmet - wie auch in manch anderem Land. Dennoch erinnert ein solches Gebäude denjenigen, der dort innehält, daran, dass da mal etwas war." Nun begeht die Gemeinde nicht nur das Luther-Jahr, das bekanntlich in allen evangelischen Kirchen mit mancherlei Aktionen einfallsreich begangen wird und immer aber an die 95 Thesen erinnern soll.

Die evangelische Kirche in Lintorf, für die sich Pfarrer Wächtershäuser den Namen "Versöhnungskirche" vorstellen könnte, feiert ihr ganz eigenes Fest am kommenden Freitag, 13. Oktober.

(gaha)
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