Ratingen Mit dem 300 PS-Trecker über die Felder

Ratingen · Juli Weidtmann ist naturverbunden. Da lag es nahe, dass sie sich für ein Studium der Agrarwissenschaften entschied.

"Die Ableistung eines Berufspraktikums im landwirtschaftlichen Bereich ist keine Voraussetzung für die Aufnahme des Studiums, wird aber empfohlen," sagt die Universität Bonn ihren künftigen Agrarwissenschaftlern. Doch Julia Weidtmann, die in diesem Jahr ihr Abitur gemacht hat, hatte dennoch Spaß an einem Praktikum. Und das machte sie, von ihrem Großvater vermittelt, auf dem Ratinger Schimmershof.

Die 18-Jährige ist allerdings keine Stadtpflanze, wie man so sagen mag, sondern mitten in der Natur aufgewachsen, auf dem Aktivstall ihrer Eltern, wo Pensionspferde in der Herde stehen. Sie weiß also über Tiere Bescheid, sie reitet, hat Pferde versorgt, bei Anbau und Ernte von Futterpflanzen für Tiere geholfen. Doch einen Bauernhof führen ihre Eltern eben nicht.

Also suchte sie die Gelegenheit, sich für drei Praktikumsmonate auf einem wirklich großen Betrieb umsehen und auch richtig nützlich machen zu können und fand das im Unternehmen von Johannes Paas. "Sie brachte Begeisterung mit - was uns schon ziemlich verwunderte - scheute sich keinesfalls vor körperlicher Arbeit, hatte Interesse und auch Ahnung, was technische Dinge betraf". Da wurde erst mal ein Törchen gebaut und angestrichen. Und dann ging's auf den Trecker.

Julia Weidtmann hatte bereits einen Führerschein für Trecker und durfte tatsächlich das fast flammneue Teil bewegen, das im Paas'schen Stall stand: 300 PS stark, fünf Meter breit und mit 3,50 Meter Höhe noch höher als eine schicke Altbauwohnung, über vier Stufen zu erklimmen und mit GPS ausgestattet.

"Und dann bin ich von Tiefenbroich zu den Feldern nach Breitscheid gefahren, wegen der Umleitung auch noch an Eggerscheidt vorbei und durch Hösel. Und da ich immerhin mit 60 Kilometern pro Stunde voran kam, hatte ich auch keine Schlange schimpfender Autofahrer hinter mir."

Es soll Kollegen von Paas gegeben haben, die da vermuteten, der Trecker sei irgendwie allein über die Äcker gerattert. Doch die Flächen wurden zuverlässig mit dem Grubber und der Scheibenegge bearbeitet, das Heu wurde gewendet - und alles mit der zierlichen Person am Lenkrad. Johannes Paas war zufrieden mit der Hilfe und würde sie gern jederzeit wieder beschäftigen.

Doch inzwischen hat das Universitätsstudium, das nicht in jedem Bundesland möglich ist, in Bonn begonnen. Zunächst steuert sie den Bachelor als Studienplatz an, vielleicht wird es danach auch noch studierend weiter gehen. Sicher aber ist es für Julia Weidtmann: "Ich möchte später nicht in einer Firma im Büro sitzen, auch wenn ich dort mit dem zu tun hätte, was ich jetzt mit großer Begeisterung studiere. Dazu gehöre ich viel zu sehr in die Natur". Sie spricht damit den Eindruck grauer Städte Mauern an. Die sieht sie auch in Bonn statt der grünen Umgebung, die sie vom Elternhaus gewohnt ist und die ihren Lebensraum ausgemacht haben.

Nun garantiert der neun Jahre alte Bruder zu Hause, dass sich dort niemand über ein leeres Nest grämen muss. An den Wochenenden geht es regelmäßig zurück in den heimischen Pferdestall und auf die elterliche Scholle. Mit dem halbjährigen Schüleraustausch in Indiana (USA) hat Julia die Familie bereits in Trennung trainiert. Julia Weidtmann wird ebenfalls die Landjugend nicht im Stich lassen - hat sie sich dort doch immer engagiert und viel Spaß gehabt.

Nun geht es darum, die Produktion von Nahrungsmitteln zu ergründen, unter anderem um die Erforschung effektiverer und umweltschonender Produktionsmethoden sowie um die Entwicklung neuer Dünge- und Pflanzenschutzmittel. Den genauen Schwerpunkt wird die Studentin sich aber noch aussuchen.

(RP)
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