Heiligenhaus Museum zeigt Papierkunst und -kitsch

Heiligenhaus · Eigentlich sollte es die neue Ausstellung im Museum Abtsküche so gar nicht geben. Inzwischen sind Gedankenspiele von Kustos Reinhard Schneider Realität geworden.

 Kitsch in Reinkultur: Die aufklappbare Karte grüßt mit dem Zweizeiler: "Was stets aus meinem Herzen spricht, das ist ein süß': ,Vergissmeinnicht'."

Kitsch in Reinkultur: Die aufklappbare Karte grüßt mit dem Zweizeiler: "Was stets aus meinem Herzen spricht, das ist ein süß': ,Vergissmeinnicht'."

Foto: Blazy, Achim (abz)

Aus Wien importierte Schneider die Idee zu einer Schau, die ihm dort bei einem Besuch besonders gefallen hatte — und die den schlichten Titel "Kleine Dinge" trug.

 Auch ein Prachstück: Dieses komplette Sammelalbum mit "Liebig-Bildern" gehört zu den Museumsbeständen.

Auch ein Prachstück: Dieses komplette Sammelalbum mit "Liebig-Bildern" gehört zu den Museumsbeständen.

Foto: A. Blazy

Aber wieder zu Hause, "hat mich das erst mal eine schlaflose Nacht gekostet, weil ich nicht so recht wusste, wie ich das hier an der Abtsküche hätte anstellen sollen", erinnert er sich. Also was tun? Wie in solchen Zweifelsfällen üblich, konnte der erfahrene Ausstellungsmacher auf zwei verlässliche Dinge zurückgreifen: auf die Bestände der heimischen Bibliothek und auf seinen Computer. "Da schreibe ich alle möglichen Ausstellungsideen rein, so ein halbes Dutzend sind da immer drin, zum Teil als Notiz, aber auch schon fertige Teiltexte", verrät er. Das Ergebnis diesmal: "Feines & Altes aus Papier" wird die neue Ausstellung heißen. Wobei der Begriff "Luxuspapier" eine zentrale Rolle spielt. Der Begriff wurde ab Mitte des 19. Jahrhunderts geprägt, als mit den technischen Neuerungen auch dem Papier eine neue und besondere Rolle zuteilwurde. Papierartikel wurden nunmehr gestanzt, geprägt, montiert und bunt bedruckt. Luxuspapier war Alltags- und Gebrauchsgegenstand.

Als Gedächtnisstütze liegt inzwischen im Museum das "ABC des Luxuspapiers" auf dem Tisch, ein Katalog des Berliner Museums für deutsche Volkskunde. Beim Blättern erlebte Schneider die nächste Überraschung: "80 Prozent der Sachen, die da beschrieben werden, die habe ich doch hier!" Oblaten, Rubbelbilder, ganze Poesiealben ("der Heiligenhauser Plural lautet übrigens Poesiealbums"), Rubbelbilder und Gelegenheitskarten aus dem 19. Jahrhundert — all das wird in den Vitrinen Platz finden. An prominenter Stelle vermutlich eine Glanz-Klappkarte in Babyblau mit unvermeidlich gereimtem Gruß: "Was stets aus meinem Herzen spricht, das ist ein süß': ,Vergissmeinicht'." Ein Traum in Kitsch. Auf ihre Kosten kommen werden auch die Kenner bibliophiler Seltenheiten, denn Schneider fasst sein Thema weit über Glanz und Flitter hinaus. So ist schon während des Aufbaus der Ausstellung eine Herborner Piscator-Bibel aus dem Jahr 1604 zu bewundern, außerdem eine religiöse Schrift aus dem Jahr 1597. Kontrastprogramm dazu: ein Zollschein des Herzogtums Berg aus napoleonischer Zeit. Selbst Blankopapier kommt zu ehren: "In der Partnerstadt Zwönitz steht die älteste noch betriebene Papiermühle Deutschlands", sagt Krause. Logisch, dass er um Exponate gebeten und sie von dort bekommen hat. "Jertzt muss ich mir nur noch überlegen, wie man das Büttenpapier so präsentiert, dass auch das Wasserzeichen zu sehen ist."

Zu lernen gibt es — rein bildlich — noch mehr. So beschäftigt sich eine Reihe alter Sammelbilder mit dem "Obstbau und seinen Feinden in der Tierwelt" ebenso wie mit holländischen Trachten-Kopfbedeckungen. Beide Themen haben eines gemeinsam. Sie finden sich gebündelt in einem Sammelalbum für so genannte Liebig-Bilder.

Welche Bewandtnis es mit denen hatte und hat, weiß der Kustos en detail. Seit 1873 erschienen Serien der Firma Liebig. Justus von Liebig, der berühmte Chemiker und Erfinder des Fleischextrakts, ließ seinen weltweit verkauften Fleischextrakt-Krügen Gutscheine für Bilderserien beilegen, die sich neben vielen anderen Bereichen insbesondere mit geschichtlichen, geografischen und naturkundlichen Themen beschäftigten.

Dies machte sie auch für ein erwachsenes Publikum interessant: Aus einer Kinderliebhaberei wurde ein Erwachsenenhobby. Von 1896 bis 1904 erschien sogar eine spezielle Liebigzeitung.

(RP)
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