Ratingen Natur erobert den Stinkesberg zurück

Ratingen · Eine mystische Steinformation ist von Farnen und Brombeergebüschen bedeckt. Stürme haben die Bäume geknickt.

 Der Stinkesberg ohne Stinkes, ohne Steine: Farne und Brombeersträucher haben die Feldformations nahezu völlig bedeckt.

Der Stinkesberg ohne Stinkes, ohne Steine: Farne und Brombeersträucher haben die Feldformations nahezu völlig bedeckt.

Foto: Achim Blazy

Bäume weg - Mystik weg! Und jetzt wuchern auch noch Farn und Brombeergestrüpp über die einst ebenso verehrten wie gefürchteten Findlinge. Wenn das so weitergeht, müssen sich selbst ernannte Fantasy-Krieger und die Freunde von Grusel-Romantik einen anderen Ort für diesen wohlig-prickelnden Gänsehautschauer auf ihren Rücken suchen. Der Stinkesberg wird bereits jetzt seinem Namen kaum mehr gerecht. Denn eine dichte grüne Pflanzenschicht hüllt die großen Stinkes (= Steine) nahezu komplett ein.

Das Waldgebiet Oberbusch mit der als "Berg" bezeichneten Erhebung von 95 Metern über dem Meeresspiegel steht wegen der Felsformation eigentlich unter Schutz. Im Erdzeitalter des Tertiär haben chemische Vorgänge ein Naturdenkmal entstehen lassen. "Doch seit Ela viele der umgebenden alten Bäume geknickt hat, hat sich dieser Ort verändert", sagt die Leiterin der Ratinger Stadtbibliothek, Dr. Erika Münster-Schröer. Der seit knapp drei Jahren fehlende Schatten auf den Steinen werde auch zu der nunmehr üppigen Vegetation geführt haben, vermutet die Bibliothekarin.

Wo nun alles verdrängende Pflanzen wuchern, rankten sich mehrere hundert Jahre lang Sagen und Schauermärchen um die Steinformation. Vor allem im 17. Jahrhundert, zu Zeiten des 30-jährigen Krieges, kreisten zahlreiche Schauermärchen und Mördergeschichten um den Stinkesberg. Erzähler beschworen Menschenopfer an einer vermeintlich ur-germanischen Kultstätte herauf. Dem nüchternen Forscherinnenblick halten die Weisen aus den ungezählten Vorstufen des Privatfernsehens nicht stand: "Für die angeblichen Morde und Gräueltaten auf dem Stinkesberg finden sich in den alten Ratinger Chroniken nirgendwo Belege", sagt Erika Münster-Schröer. Das musste auch gar nicht sein, um die Aura des Ortes quer durch den Lauf der Zeit zu konservieren. Ob die Nationalsozialisten mit einer neuen Reichsautobahn einen großen Bogen um die vermeintliche Kultstätte machten oder 1955 und 1992 Flugzeuge an nämlicher Stelle abstürzten - für angsteinflößendes Gewisper war der Stinkesberg zu allen Zeiten gut.

 So sehen die sogenannten Frauensteine im Aaper Wald aus.

So sehen die sogenannten Frauensteine im Aaper Wald aus.

Foto: Foto_Blazy

Spaziergänger vermissen in diesen Tagen eine dem Ort angemessene Präsentation. Naturfreunde, die weitere Kreise ziehen, verweisen auf die Frauensteine im Aaper Wald. Dort seien die Steine überhaupt nicht überwuchert. Zudem wiesen Text-Tafeln sowohl auf die geologische Basis hin als auch auf die Mythenwelt, die sich auch um jenen Ort legt. Ein Vorbild?

(RP)
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