Analyse Neue Chefs im Rathaus - ein Vorschlag zur Unzeit

Heiligenhaus · Braucht die Stadt Beigeordnete? Die Diskussion im Rat bewegte sich zwischen Sachlichkeit und Schlammschlacht. Ergebnis: Weiter wie bisher.

Die Summe klingt wie ein Angebot, das man nicht ablehnen kann: 500.000 Euro jährlich ließen sich sparen, wenn die Verwaltung neu organisiert würde - ohne die beiden bisherigen Beigeordneten. Sie könnten durch ein System von Fachbereichsleitern plus Bürgermeister ersetzt werden. So hatten es die Grünen im Rat beantragt. Der Weg dorthin sollte über einen Ratsbürgerentscheid führen. Was schon vorab die Gemüter erhitzte (unsere Redaktion berichtete). Fortsetzung und Schluss einer denkwürdigen Debatte waren im Rat mitzuerleben.

Ein Pluspunkt: Alle Fraktionen hatten sich erkennbar detailliert mit dem Thema auseinandergesetzt. Es ist ja auch nicht ganz neu. Schon zu Amtszeiten des inzwischen abgewanderten Beigeordneten Harald Flügge war die Diskussion aufgekommen, ob dessen Stelle nicht nach Auslaufen der zweiten achtjährigen Amtszeit gestrichen werden könnte. Nun also ein weiterer Anlauf. Allerdings einer zur Unzeit. Denn selten war die Ausgangslage für grundlegende Veränderungen schwerer berechenbar als derzeit. Ein Beigeordneter verließ die Stadt, der Bürgermeister kandidiert für den Landtag und teilt sich zugleich die Arbeit an der Verwaltungsspitze mit Michael Beck, dem verbliebenen Ersten Beigeordneten. Wer, wann und mit wem in dieser seltenen Gemengelage eine Verwaltung praktisch von Grund auf neu strukturieren soll, blieb erstaunlicherweise offen. So machten auch Vertreter von SPD und WAHL ein dickes Fragezeichen hinter das von den Grünen angestrebte Verfahren eines Ratsbürgerentscheids. Der Rat kann eine Frage zu einem Thema zur Abstimmung an die Bürger weiterreichen. Voraussetzung: Eine Zweidrittelmehrheit stimmt im Rat dafür. Keine Freunde jedenfalls machte sich Antragsteller Lothar Nuthmann mit Überlegungen dazu, dass Arbeit in der Rathaus-Chefetage grundsätzlich mit Parteibuchklüngel und "Pfründen" verquickt sei. Dies sei "postfaktische Politik" konterte der Bürgermeister: "Es geht nicht an, irgendeine falsche Summe in den Raum zu stellen und zu behaupten, Geld werde durch Pfründenhuberei vergeudet." Breiten Raum nahmen die Rechenexempel ein, die Nuthmann anhand von Vergleichen mit der westfälischen 37.000-Einwohner-Stadt Beckum ausbreitete. Für das Internet-Recherche-Schmankerl des Abends sorgte in diesem Zusammenhang SPD-Mann Axel Pollert. Es sei in Beckum die Fraktion der Bündnisgrünen gewesen, die unlängst die Wiedereinführung einer Beigeordnetenstelle beantragt habe, damit aber gescheitert sei. Für die FDP lenkte Manfred Kundt das Thema in sachlichere Bahnen zurück. "Der Antrag der Grünen hat oberflächlich betrachtet seinen Charme." Doch auch Kundt verhehlte nicht den Unmut seiner Fraktion über die phasenweise bestenfalls grenzwertige Rhetorik der Antragsteller. "Es kann einem schon die Galle hochkommen, wenn suggeriert wird, Beigeordnete seien Frühstücksdirektoren, die nur Geld kosten." Ralf Herre (CDU) wurde noch deutlicher: "Ohne Beigeordnete einfach Geld sparen - das läuft so nicht. Das wäre so, wie Klein-Fritzchen sich die Rathausarbeit vorstellt."

(RP)
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