Hösel Rachepläne an Vanilleeis

Düsseldorf · Bei der zweiten "Melange im Höseler Caféhaus" fesselte Martin Bross mit Gruselgeschichten von Edgar Allen Poe. Auch Hausherr Heinz Bieger zeigte sich begeistert und kredenzte ein "eiskaltes Herz" als Dessert.

Nein, der Mann ist nicht verrückt. Wie sonst hätte er den Mord so geschickt planen können? Er hat empfindliche Nerven, ja. Aber verrückt ist er sicherlich nicht. In Handschellen saß Martin Bross da, eine Lampe beleuchtete von unten sein Gesicht, und das irre Funkeln in seinen Augen und die zerwühlten Haare straften seine Worte Lügen, als er eindringlich von der Raffinesse seiner Tat und dem verräterisch klopfenden Herz erzählte, das ihn dann doch zu einem Geständnis der Tat vor der Polizei trieb. Keine Frage, die Rolle des Mörders aus der Kurzgeschichte "Das verräterische Herz" war die Paraderolle von Martin Bross.

Der Schauspieler trug jetzt im Höseler Caféhaus Geschichten und Gedichte von Edgar Allen Poe vor. Den Mörder mit den scharfen Sinnen spielt er nicht ohne Grund so eindrucksvoll – die Rolle übernahm er bereits in seiner Abschlussprüfung an der Schauspielschule. Poe faszinierte den heute 37-Jährigen schon lange vor und auch noch lange nach dieser Prüfung. "Wegen seiner sprachlichen Raffinesse, aber auch, weil es in seinen Geschichten um Urängste geht, die jeder kennt."

Der freischaffende Schauspieler gestaltet öfter Poe-Abende. Im Caféhaus trat er im Rahmen einer besonderen Kooperation auf. Konditor und Caféhaus-Besitzer Heinz Bieger und der Dortmunder Verein Melange veranstalten seit vergangenem Monat regelmäßig Rezitations- und Vorleseabende, bei denen in gemütlicher Atmosphäre gelauscht und zugleich geschlemmt wird. Bieger kreiert zu jedem Abend ein passendes Dessert. Am Dienstag war es ein "eiskaltes Herz" – Vanilleeis mit Sahne, Himbeeren und zwei roten Marzipanherzen. Für eiskalte Schauer, die den Rücken herunter laufen, sorgte Martin Bross. Immer wieder deutete er als Ich-Erzähler in den Geschichten mit unheilschwangerem Unterton Unheil an. Gerade in den Dialogen lag seine große Stärke: Blitzschnell schlüpfte er von einer Rolle in die andere und verlieh den Figuren in Poes unheimlichen Geschichten durch jeweils eigene Stimme und Mimik Profil.

Erschaudern ließ besonders das schrille, irre Lachen des Gauklers Hoppfrosch aus der gleichnamigen Erzählung von Poe. Während Bross das "verräterische Herz" und Poes berühmtestes Gedicht "Der Rabe" frei vortrug, las er die anderen Geschichten und Gedichte des US-amerikanischen Autors stimmungsvoll vor. Nachdem Bross fast zwei Stunden lang Geschichten von perfiden Racheplänen, qualvollen Toden, Besessenheit und Geisteskrankheit erzählt hatte, zahlreiche Rollen gespielt und dem Publikum so manchen Schrecken eingejagt hatte, verabschiedete er sich süffisant: "Damit entlasse ich Sie in die Nacht. Träumen Sie schön!"

(RP)
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