Ratingen Wie Frau Westermann das Älterwerden meistert

Ratingen · "Das hat sie aber wirklich gut gemacht" und "der Abend hat sich gelohnt", lobten Zuhörer kurz bevor es zum Signieren ging die Lesung von Christine Westermann.

Dabei hatte die Veranstaltung im katholischen Bildungswerk mit echt langen Gesichtern begonnen: Die Autorin und berühmte TV-Moderatorin, laut Eigenaussage eine "echte Pünktlichkeitsfanatikerin", war satte 20 Minuten zu spät an der Turmstraße eingetroffen. "Aus Köln herauszukommen war schon schlimm", entschuldigte sie sich. Dann hat das Navigationsgerät sie falsch geleitet, "Achselschweiß überall. Sie glauben gar nicht wie sehr ich mich freue, hier zu sein." Ihre erste Lesung seit etwa acht Wochen gestaltete sie vor ausverkauftem Haus - der Frauenanteil lag bei geschätzten 95 Prozent - ziemlich gelassen.

"Drei Pfund Brille", führte sie in ihrer geräumigen Tasche mit sich. "Sie können sich die Farbe aussuchen", band sie ihr Publikum ein. Durch ein Modell in Grün blickend, las sie die erste Episode aus "Da geht noch was. Mit 65 in die Kurve". Einem Buch über das Älterwerden. Wie das mit Anstand und Haltung geht? "Ich habe keine Ahnung. Ich experimentiere da auch rum." Die Lacher hatte sie mit dem, was sie aus ihrem Buch, das ausdrücklich kein Ratgeber ist oder sein will, vorlas, durchweg auf ihrer Seite.

Gespickt mit überaus persönlich wirkenden Anekdoten gewährte die Frau, die im Dezember ihr 67 Lebensjahr vollenden wird, Einblicke in ihre Persönlichkeit. "Als ich mit 21 volontierte, dachte ich: Mit 38 bin ich tot." Deshalb kam es ihr vollkommen sinnlos vor, in besagten 70er Jahren irgendwas für die Altersversorgung zu tun. "Aber im Frühjahr 2014 war ich glücklich, dass ich das gemacht habe", erzählte sie exemplarisch, wie sich im Laufe eines Lebens Einstellungen ändern können.

Und diese Art des Wandels sei auch dafür verantwortlich, nun gelassener auf die Restzeit zu blicken. "Früher habe ich immer gedacht, was der andere wohl von mir denkt." Derlei Hirnakrobatik hat sie sich abgewöhnt. Ebenso "warte ich nicht mehr auf irgendwas, sondern lebe." Und die dritte wichtige Haltungsänderung mit Glückspotenzial war, Schluss mit Vorurteilen zu machen und die Leute nicht immer in Schubladen zu kategorisieren. "Diese drei Dinge in Kombination mit Achtsamkeit, das hat mein Leben reicher gemacht." Zum Abschluss gab es als so etwas wie die Zugabe noch die Geschichte, was die neu gewonnene Achtsamkeit mit Alltag mit Christine Westermann macht. Mal eben in alte Jeans und Turnschuhe gesprungen, fuhr sie zur Tankstelle. Dem Chaos dort begegnete sie mit einer Entspannungsübung. Dass ihr Auto dann kurz darauf den Dienst versagte, erstaunte sie dann doch: "Tiefenentspannt hatte ich den Diesel mit Superbenzin befüllt."

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