Ratingen Seiteneinsteiger fordern die Schulen

Ratingen · Seit fast zwei Jahren werden an weiterführenden Schulen Kinder aus Flüchtlings- und Zuwandererfamilien unterrichtet. Das Bonhoeffer-Gymnasium in West und das Kopernikus-Gymnasium Lintorf ziehen eine Zwischenbilanz.

Der Unterricht mit den Seiteneinsteigerklassen erweist sich immer mehr als eine Herausforderung für die Bildungseinrichtungen. Dem Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium in West (DBG) wurden Ende 2014 insgesamt 25 Seiteneinsteiger zugewiesen, im April kamen weitere 18 hinzu. Das Lintorfer Kopernikus- Gymnasium (KGL) begann Anfang 2016 mit 16 Schülern, einige von ihnen sind verzogen, andere rückten nach, so dass dort derzeit 19 Seiteneinsteiger unterrichtet werden.

Einheitliche Konzepte oder Vorgaben, wie der Unterricht mit ihnen zu erfolgen hat, gab und gibt es nicht. Dazu ist die Zusammensetzung der Schüler zu unterschiedlich. "Jede Schule hat ihre eigenen speziellen Gruppen sowie personellen und räumlichen Möglichkeiten, die Jugendlichen zu beschulen", erklärte Uwe Florin, Schulleiter des DBG. Gestartet sind beide Schulen mit ursprünglich reinen Seiteneinsteigerklassen, bei denen alle Kinder gemeinsam unterrichtet wurden. Der Hauptschwerpunkt lag zunächst auf Deutschunterricht. Wo es möglich war, wurden auch Kunst, Sport und Englisch unterrichtet. Das DBG wurde damals von Pädagogen aus der benachbarten Martin-Luther-King-Gesamtschule unterstützt und bekam Anfang 2015 endlich einen Lehrer mit Zusatzqualifikation "DaZ" (Deutsch als Zweitsprache) zugewiesen. Jetzt gibt es dort glücklicherweise drei Lehrer mit dieser Zusatzausbildung. Zusätzlich gibt es einen irakischen Assistenzlehrer, der mehrere arabische Sprachen spricht. Das KGL startete mit zwei "DaZ-Lehrern" und kann jetzt auf die doppelte Anzahl zurückgreifen. Auch hier wird es in Kürze einen arabisch sprechenden Assistenzlehrer geben. Bei größeren sprachlichen Problemen wurde hier bisher in unregelmäßigen Abständen ein Dolmetscher zur Hilfe geholt.

Mittlerweile sind die Schüler des KGL und die erste Gruppe aus dem DBG dem Wissensstand und Alter entsprechend auf Regelklassen aufgeteilt worden. Einige von ihnen sind Beispiele für gelungene Integration, für sie hat der Übergang relativ problemlos geklappt, auch wenn noch die ein oder andere weitere individuelle Förderung notwendig ist. Freundschaften sind bereits entstanden, durch welche das Deutsch der Seiteneinsteiger natürlich profitiert.

Aber auch für die regulären Schüler sind die Freundschaften zu den neuen Mitschülern wichtig, können sie doch ihren Horizont erweitern und einen wesentlichen Beitrag zur Integration leisten. Aber das alltägliche Schulleben zeigt trotzdem, dass es mit der Integration nicht ganz so einfach ist. Auch wenn die Lehrer noch motiviert und engagiert an die Sache herangehen und schon viele Abläufe und Regelungen entwickelt haben, wird ihr Engagement zunehmend auf eine harte Probe gestellt. Nicht alles, was gewünscht wird, ist realisierbar oder wird so angenommen wie geplant.

Noch immer erschweren mangelnde Deutschkenntnisse und die unzureichende Alphabetisierung besonders der neueren Schüler die Unterrichtung, so die Erfahrung. Viele von ihnen haben noch nie eine Schule besucht. Auch der große Altersunterschied der Seiteneinsteiger erweist sich als problematisch. "Die älteren Schüler wollen schnell aus der Schule heraus und einen Abschluss machen. Diese müssen anderes gefördert werden als ein Fünftklässler, der noch längere Zeit die Schulbank drücken muss. Auch Schüler, die genau wissen, dass sie in absehbarer Zeit wieder in ihre Heimat zurückkehren, haben andere Bedürfnisse", sagt Florin.

Hinzu kommt ein unterschiedlich stark ausgeprägter Integrationswille bei den Seiteneinsteigern, sicherlich auch bedingt durch die mehr oder weniger ausgeprägte Rückkehrperspektive in ihren Elternhäusern. "Die Anforderungen der Gesellschaft an den Einzelnen sind hier andere, insbesondere die Verbindlichkeit schulischer Pflichten. In den Heimatländern der Flüchtlingsfamilien funktionieren häufig die staatlichen Strukturen nicht mehr. Die Kinder müssen sich erst wieder daran gewöhnen", meinte Roland Loos, Schulleiter des KGL.

(mvk)
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