Hösel "Sie wird wiederkommen"

Düsseldorf · Der Rücktritt von Margot Käßmann bewegt die Menschen. Am Sonntag diskutierte Pfarrer Dieter Jeschke mit seiner Gemeinde über den Rücktritt. Fazit: Käßmann hat sogar an Glaubwürdigkeit gewonnen.

Mitleid und Bestürzung - die Presse zum Fall Käßmann
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Foto: APN

War der Rücktritt von Margot Käßmann wirklich notwendig? Hätte sie die ganze Diskussion über ihre Alkoholfahrt mit 1,54 Promille nicht einfach aussitzen können? "Nein, hätte sie nicht."

Darin waren sich die vielen Besucher einig, die gestern ins evangelische Gemeindehaus in Hösel gekommen waren. Pfarrer Dieter Jeschke hatte zu einer Diskussionsrunde eingeladen, nachdem er in den vergangenen Tagen bemerkte, wie sehr der Fall Käßmann die Menschen bewegte.

Glaubwürdigkeit, Verantwortung, Vorbildhaftigkeit: Blieb der Ratsvorsitzenden der evangelischen Kirche unter diesen drei Gesichtspunkten eine andere Wahl als zurückzutreten?

"Sie hat eher noch an Glaubwürdigkeit dazu gewonnen", war man sich einig. Einigkeit herrschte auch, was die Trauer über den Verlust von Käßmann, aber auch die Hochachtung für sie anging. Sie habe offen und ehrlich die Konsequenzen gezogen und müsse nun ihren eigenen Weg finden. "Für mich ist sie eigentlich nicht gefallen, sondern wieder aufgestanden", sagte eine Frau. So könne Käßmann weiter ihren Weg gehen: "Und so klug wie sie ist, wird sie bestimmt auch irgendwann wieder zurückkommen, in welcher Funktion auch immer."

Darauf hoffen in der evangelischen Gemeinde in Hösel viele. Denn Käßmann sei ein Vorbild und auch der beste Repräsentant für die evangelische Kirche in Deutschland gewesen. Natürlich habe sie einen schweren Fehler gemacht, das wollte gestern niemand bestreiten und auch nicht kleinreden. Dennoch blieb für viele eine Frage: Dürfen Menschen, auch wenn sie wichtige Positionen in der Öffentlichkeit bekleiden, nicht trotzdem menschliche Fehler machen?

Sie hatte doch einen Fahrer

Auch sonst gab es Fragen: Warum hat niemand Käßmann daran gehindert, sich alkoholisiert ans Steuer zu setzen? Wo waren ihr Fahrer und ihre Leibwächter? "Es ist eine Schande, dass sie über so etwas stolpert und ein unheimlicher Verlust für unsere Kirche", erklärte eine Besucherin. Ihr seien beim Rücktritt sogar die Tränen gekommen.

Doch woher kommt das große Interesse am Rücktritt? Ist es Sensationsgier oder Schadenfreude? Macht es einen Unterschied, dass Käßmann eine Frau ist? Oder ist die konsequente Art, Verantwortung für einen schweren Fehler zu übernehmen, inzwischen so ungewöhnlich und erregt deshalb so viel Aufmerksamkeit?

"Die große Mehrheit klebt doch wie sonst was am Sessel, selbst wenn etwas wirklich Gravierendes vorgefallen ist", so Pfarrer Jeschke. Ein Rücktritt sei in solchen Fällen doch die große Ausnahme. Für viele aus der Gemeinde bleibt Käßmann ein gutes Vorbild, gerade wegen ihrer Ehrlichkeit und Übernahme der Verantwortung: "Ansonsten kann nur jeder auf sich selbst und sein Umfeld achten, beispielsweise wenn jemand sich alkoholisiert ans Steuer setzt."

(RP)
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