Analyse Die Schwere Saison Von Ratingen 04/19 04/19 stolpert oft - und steht wieder auf

Ratingen · Lange Zeit steckte der Fußball-Oberligist im Abstiegskampf - bis vier Heimsiege am Stück die Wende brachten. Eine Analyse der Saison.

Ratingen Peter Radojewski redete nicht drumherum. "Das war meine schwerste Saison als Trainer", sagte der Coach von Ratingen 04/19, kurz nachdem das letzte Spiel bei Kapellen-Erft (1:1) endlich vorüber war. Eine Saison, in der das Team nach einer ordentlichen Hinrunde immer weiter in den Abstiegsstrudel gesogen wurde - und sich dann mit vier Heimsiegen am Stück und insgesamt zwölf ungeschlagenen Spielen selbst wieder rettete. Eine Saison, in der gute und schlechte Stimmung sich ablösten. Eine Saison, die eine Analyse insoweit erschwert, da sie so viele Gesichter zeigte. Daher folgt nun der Versuch einer Aufarbeitung.

Die Bilanz 11. Platz, 45 Punkte - das hatten sich die Verantwortlichen nach der so starken Vorsaison aber ganz anders vorgestellt. Blickt man etwas genauer auf die Tabelle, springen vor allem die 15 Unentschieden ins Auge - die mit Abstand meisten in der Liga. 04/19 kassierte nur neun Niederlagen in der ganzen Saison und damit die drittwenigsten aller Teams. Allerdings gelangen dem Radojewski-Team auch nur zehn Siege und damit die viertwenigsten aller Mannschaften. 15 Unentschieden sind aber "nur" so viel wert wie fünf Siege - und deshalb musste 04/19 bis kurz vor dem Ende der Saison gegen den Abstieg kämpfen. "Man muss sagen, dass uns da vielleicht auch manchmal die offensive Qualität gefehlt hat - da waren einige Remis dabei, bei denen wir in der vergangenen Saison in der Schlussphase vielleicht noch ein Tor geschossen hätten." Womit wir beim zweiten Punkt wären:

Die Offensive Kein Mannschaftsteil ist nach dieser Saison schwerer zu bewerten als die Abteilung Attacke des RSV. Mit Daniel Keita-Ruel und Carlos Penan standen zwei Stürmer im Aufgebot, die zur gehobenen Klasse in der Oberliga gelten. Diese Qualität haben sie im Duo aber eigentlich erst in der Schlussphase der Saison gezeigt - beginnend mit der Heimsieg-Serie im April. Carlos Penan arbeitete immer viel, hatte jedoch oft Pech - und bei Keita-Ruel beschlich einen hin und wieder das Gefühl, der Stürmer hole nicht alles aus seinen unbestritten vorhandenen Fähigkeiten heraus. Gerade in der Hinrunde war Keita zu oft zu genervt von seinen Mitspielern, auch wenn sein Verhalten ansonsten absolut tadellos war. Doch gerade als es darauf ankam, war auf Keita und Penan verlass. Und mit elf sowie acht Treffern ist ihre Bilanz auch ordentlich, wenn auch nicht überragend.

Hinter den beiden Angreifern gab es sehr viel Licht und Schatten. Gerade auf den Flügeln taten sich die Spieler im blau-gelben Trikot oftmals sehr schwer, das in der Oberliga geforderte Niveau zu erreichen. Orhan Dombayci oder Stefan Rott bildeten da die Ausnahme, wurden jedoch auch hinten gebraucht. Nico Wehner fiel durch seinen Kampfgeist positiv auf, Yusuf Keser war leider zu oft verletzt, um seine Qualitäten ausspielen zu können. Einige andere Akteure sind hingegen oft nur eine Randnotiz wert - sie spielten entweder zu wenig oder nicht gut genug.

Die Defensive Mit 46 Gegentreffern kassierten die Ratinger die fünftwenigsten Gegentore der Oberliga - an der Abwehr lag es nicht, auch wenn sich diese, gerade im Vergleich zur hervorragenden Vorsaison, manchmal unerklärliche Aussetzer leistete. Prinzipiell war die Innenverteidigung mit Thomas Denker (der fünf Tore erzielte) und Adnan Hotic eine Abwehr-Mauer, die jedoch gerade in der kritischen Phase vor und nach Weihnachten öfter bedenklich wackelte. Die Rückkehr des Außenverteidigers Benjamin Teichmöller (aus Kray) stabilisierte die Abwehr vor dem meist ganz starken, hin und wieder aber auch ungewohnt unsicheren Dennis Raschka. Auch hier gilt: Rechtzeitig zum Saison-Endspurt fanden alle Beteiligten wieder zu ihrer Top-Form zurück, um Ratingen früh genug aus dem Abstiegs-Strudel zu reißen. Positiv fiel das defensive Mittelfeld auf: Phil Spillmann mauserte sich zum Leistungsträger, auch Timo Krampe zeigte sich aufgrund seiner unbekümmerten Spielweise positiv.

Der Trainer Peter Radojewski blieb angesichts der Frühlings-Krise zwar ruhiger als so mancher im 04/19-Umfeld. Angeschlagen und manchmal etwas dünnhäutig wirkte der Wuppertaler in dieser Saison zwischenzeitlich dennoch. Die Krise ging nicht spurlos an ihm vorbei. Er hatte es allerdings auch nicht leicht: Im September zog es den gerade erst verpflichteten Co-Trainer Ingo Christ in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zum Regionalligisten Kray. Eine Aktion, die im Ratinger Umfeld gar nicht gut ankam. Zudem hatte der Trainer mit vielen Verletzungen zu kämpfen: Leistungsträger wie Yusuf Keser, Stefan Rott oder Thomas Denker schleppten Verletzungen mit sich herum, Orhan Dombayci fiel nach einem Fußbruch lange aus. In den letzten Spielen der Saison saßen vor lauter Verletzungen kaum noch Spieler auf der Bank. Trotz aller Widrigkeiten hielt der Trainer an seiner Arbeit fest - und profitierte nach eigener Aussage auch stark von der Arbeit der Fitness-Trainerin Marina Ediger, die den Verein im Winter verstärkte. "Sie hat die konditionelle Grundlage für den Aufschwung in der Rückrunde gelegt", betont Radojewski.

Das Zwischenmenschliche Nichts wurde im internen Saisonfazit der Ratinger vor allem vom Vorsitzenden Jens Stieghorst so kritisch beleuchtet wie der Zusammenhalt in der Mannschaft. Dieser war nämlich über weite Strecken der Saison kaum vorhanden. Man hatte bei einigen Akteuren den Eindruck der "Ich-AG". Kapitän Thomas Denker merkte man den Wegfall vieler Essener Kollegen nach der vergangenen Saison an - er war im Team nicht mehr so präsent und schottete sich vor allem nach Niederlagen ab.

Der Ausblick Karl Weiß hat bereits einige Stellschrauben verändert: Es werden nicht mehr nur junge Spieler geholt, der Sportliche Leiter legt nach eigener Aussage vor allem auf die Einstellung der neuen Akteure Wert. Tim Manstein, Marvin Ellmann und die weiteren Zugänge versprechen Qualität. Zudem verlängerte der Klub in den vergangenen Tagen die Verträge von Adnan Hotic, Timo Krampe und Nico Wehner und holte als neuen Torhüter hinter Dennis Raschka Florian Schneider aus dem Bundesliga-Nachwuchs des Wuppertaler SV. Außerdem soll Trainer Radojewski unterstützt werden: Ein neuer Co-Trainer soll auch noch kommen.

(RP)
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