Nicolas Kiefer im Interview "Ich will mit dem RTC ins Finale kommen"

Ratingen · Der ehemalige Tennis-Profi schlägt morgen (11 Uhr) für Grün-Weiß in der Herren 30-Bundesliga gegen Essen auf.

Herr Kiefer, wie schlimm waren die vergangenen Wochen für Sie als Fan von Hannover 96?

Nicolas Kiefer Inzwischen bin ich wieder entspannt. Aber das Spiel am Samstag gegen Freiburg war echt hart. Ich war natürlich im Stadion, es ging gut los mit dem Tor nach drei Minuten. Trotzdem habe ich wirklich gezittert und mitgefiebert.

Wie kommt es, dass Sie so ein großer Fan von Hannover 96 sind?

Kiefer Hannover ist meine Heimat, ich kenne einige der Spieler sehr gut. Früher war das noch etwas enger, da wurde doch ordentlich durchgewechselt in der letzten Zeit. Das sollte auch das Hauptziel für die Führung sein, finde ich als Fan: Die Mannschaft braucht Identifikationsfiguren. Weil Hannover den Bundesligisten 96 braucht.

Es heißt, Hannover habe abgesehen vom Fußball nicht viel zu bieten.

Kiefer Ach, diese üblichen Vorurteile. Einer erzählt das, und alle plappern es nach. Waren Sie schon mal in Hannover? Ich finde die Stadt perfekt. Nicht zu groß, nicht zu klein. Wir haben den Maschsee, den Zoo und auch sonst alles, was man braucht.

Reden wir über Tennis. Am Sonntag schlagen Sie erstmals in dieser Saison für den Ratinger TC in der Herren30-Bundesliga auf. Freuen Sie sich?

Kiefer Oh ja! Ich stehe zwar noch jeden Tag auf dem Tennisplatz, aber so richtig wettbewerbsmäßig spiele ich nur noch bei Grün-Weiß. Das ist also mein Ein und Alles (lacht). Ich habe mich in den vergangenen Wochen bereits regelmäßig informiert: Wer wechselt wohin? Welche Spieler haben die Konkurrenten geholt? Ich habe Daniel Meier (Manager, Anm. d. Red.) auch wochenlang genervt wegen der Termine, damit ich mir die freihalten kann.

Im vergangenen Jahr haben Sie das Finale um die Deutsche Meisterschaft und den Titelgewinn verpasst.

Kiefer Ja, und das sollte mir nicht nochmal passieren. Ich habe leider viel zu tun und muss meine Termine frühzeitig festlegen. In diesem Jahr habe ich mir aber die wichtigen Spiele freigehalten.

Das ist gut, Sie gelten schließlich als Aushängeschild der Herren30-Bundesliga.

Kiefer Das ist schön, aber letztlich kann ich auch nur einen Punkt holen - und der reicht nicht zum Sieg. Wir haben eine tolle Mannschaft. Ich denke, wir könnten auch in der "normalen" Bundesliga, mindestens aber in der Zweiten Liga ordentlich mitspielen, so stark sind wir. Und ich freue mich, dass ich so gut vom Team aufgenommen wurde.

Sie treten aber nur zweimal an. Ist Ihre regelmäßige Teilnahme zu teuer für den RTC?

Kiefer Nein, meine Verpflichtungen, sei es an der TennisBase Hannover, für Sat.1 oder Sponsoren, lassen mehr Einsätze einfach nicht zu. Aber man muss zweimal in den Medenspielen angetreten sein, um auch für das Finale gelistet zu werden. Wir haben ein Dutzend Spieler in der Mannschaft - und alle sollen mal ran. Das ist schon gut so. Wir wollen für ein mögliches Finale schließlich das beste Team aufbieten.

Bei den Herren30 und den Frauen gilt der Ratinger TC als Favorit auf den Titel. Entsteht da eine Hochburg im Bundesliga-Tennis?

Kiefer Das kann man so sagen. Daniel Meier ist einer der umtriebigsten Manager, die ich kenne. Der ist mit so viel Herzblut dabei. Nach drei Vizemeister-Titeln in Folge bei den Frauen hätte man auch aufgeben können. Aber Daniel sagt sich: "Jetzt erst recht" - und stellt ein noch stärkeres Team zusammen. Das finde ich beeindruckend.

Wenn Sie - abgesehen vom RTC - keine Wettkämpfe mehr bestreiten, was machen Sie den ganzen Tag?

Kiefer Ich trainiere den Tennis-Nachwuchs am Stützpunkt in Hannover. Da sind einige Talente dabei, die den Sprung schaffen können. Außerdem leite ich Tennis-Camps für einen Reiseveranstalter, arbeite für Sat 1 und verschiedene Sponsoren. Mein Tag ist gut ausgefüllt.

Bei den Herren sind Deutsche unter den Top-Profis gerade nicht vorhanden. Wie kommt das?

Kiefer Der Sprung vom Nachwuchs zu den Profis ist noch größer, als er es zu meiner Zeit war. Und damals war es schon schwer. Aber ich bin zuversichtlich - wir haben einige sehr gute Talente, die wir jetzt behutsam an die Senioren heranführen müssen. Ich versuche, ihnen einiges auf dem Weg mitzugeben. Ich habe schließlich selbst genug erlebt.

Wenn Sie an Ihre Karriere zurückdenken, was war der beste Moment?

Kiefer Die Silbermedaille im Doppel bei den Olympischen Spielen 2004. Alles war schön, die Turniersiege, das Masters in Hannover. Aber wenn ich nach Hause komme und meine Medaille in die Hand nehme, weiß ich, wofür ich alles getan habe.

Sie galten einst als legitimer Nachfolger von Boris Becker.

Kiefer Das war ganz schön anstrengend. Diese ständigen Vergleiche. Aber haben Sie gesehen, was Boris erreicht hat? Dem konnte man gar nicht genügen. Das wird, so fürchte ich, auch so schnell keinem deutschen Spieler mehr gelingen.

Wenn Sie zurückblicken - würden Sie Ihre Karriere noch einmal genau so gestalten, wie Sie es jetzt getan haben?

Kiefer Nein. Eine Sache würde ich ändern: Ich habe viel zu spät damit angefangen, mir einen persönlichen Physiotherapeuten und einen Fitnesstrainer zu leisten. Wer weiß, vielleicht hätte ich weniger Probleme mit Verletzungen gehabt. Und einen Psychologen hätte ich genommen. Tennis spielen kann heutzutage jeder. Aber das alles richtig verarbeiten - dabei ist die Hilfe eines Profis sehr wichtig.

Ein letzter Blick in die Zukunft: Was wünschen Sie sich mit dem RTC in dieser Saison?

Kiefer Die Meisterschaft natürlich. Und wenn ich mal richtig träumen darf: So eine Champions League im Tennis wäre doch toll. In jedem Land werden doch nationale Meisterschaften gespielt. Wäre doch super, wenn wir dann einen Europameister hätten. Eins können Sie mir glauben: Die Termine würde ich mir dann sicherlich auch komplett freihalten.

ANDRÉ SCHAHIDI FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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