Analyse Was ist das Meeting sportlich noch wert?

Ratingen · Die Zuschauer waren begeistert, doch die sportliche Bedeutung des Mehrkampf-Meetings in Ratingen war eher überschaubar. Viele der Vorzeige-Athleten stiegen vorzeitig aus. Die Punktzahlen gingen im Vergleich zum Meeting in Götzis in den Keller.

Die Zuschauer waren zufrieden, das Wetter spitze - und auch die Athleten waren ziemlich begeistert vom Mehrkampf-Meeting am Wochenende im Ratinger Stadion. Letztere hatten auch gut reden, mussten sie sich doch nur bedingt anstrengen. Michael Schrader, Sieger im Zehnkampf, schraubte zwar seine Saisonbestleistung gegenüber dem Meeting Ende Mai in Götzis (Österreich) um vier Punkte nach oben. Doch er grinste nach seinem Sieg breit und sprach von einem "netten Trainingswettkampf" - genau solche Aussagen sind fatal. Sie schrauben die Bedeutung des einst so hochwertigen Meetings ins Bodenlose. Götzis "trohnt" über allem in Ratingen. Und das ist schon in der Ergebnisliste spürbar: Von 16 gestarteten Männern hielten nur sieben über alle zehn Disziplinen durch. Der Rest stieg vorher aus - verletzungsbedingt, wie Rico Freimuth, der leichte Knieschmerzen verspürte, oder um sich zu schonen. Zwei weitere Athleten hatten am Veranstaltungstag kurzfristig abgesagt.

In Götzis war es zwar ausgerechnet Zehnkampf-Star Ashton Eaton, der nicht antrat - doch ansonsten kamen 21 der 28 Athleten in die Wertung. Bis Platz elf wurden Punktzahlen über 8000 erreicht. Das gelang in Ratingen nur Schrader und Willem Coertzen. Gerade Schrader hätte sicherlich noch eine höhere Punktzahl erzielen können - doch ihm reichte beispielsweise im Speerwurf ein guter Versuch - zu den beiden anderen trat er dann erst gar nicht mehr an. Immerhin kann man ihm zu Gute halten, dass er nicht wie einige seiner Kollegen frühzeitig das Handtuch warf.

Bei den Frauen ist die Diskrepanz zu Götzis noch viel größer. Anouk Vetter, die sympathische Siegerin im Siebenkampf der Frauen, reichten 6387 Zähler zum Sieg. In Österreich holte die Niederländerin 6458 Punkte - und wurde damit nur Sechste, deutlich abgeschlagen hinter Siegerin Brianne Theisen-Eaton. Sportlich relevant war am Wochenende eigentlich nur der Zweikampf um das letzte deutsche WM-Ticket zwischen Jennifer Oeser und Lilli Schwarzkopf - Letztere beendete infektgeschwächt den am Ende aussichtslosen Kampf um Peking vor den abschließenden 800 Metern und stieg aus. Zum Abschlusslauf trat auch Carolin Schäfer, eines der Zugpferde des Meetings, nicht mehr an. Sie hatte zuvor bereits die 200 Meter geschwänzt. Zu viel Kraftverschleiß.

So sehr das Ratinger Meeting durch das Ambiente glänzt - nirgendwo sonst sind die Zuschauer den Sportlern so nahe wie in Ratingen - irgendwann lässt sich die sportliche Bedeutungslosigkeit nicht mehr wegretuschieren. Weil Götzis inzwischen derartig viel größer ist, heben sich fast alle Athleten mit Rang und Namen ihre besten Leistungen für das österreichische Dorf auf. In den Wochen vor dem Ratinger Meeting geht immer das Bangen los, welche Top-Athleten sich mit ihren Götzis-Leistungen zufrieden geben und in Ratingen erst gar nicht mehr antreten. Doch ein entspanntes Schaulaufen ohne die anstrengenden Disziplinen, wie es Kai Kazmirek oder Carolin Schäfer veranstalteten, ist in gewisser Weise Betrug am Zuschauer.

Der Deutsche Leichtathletik-Verband als Ausrichter ist nun gefragt. Natürlich kann Ratingen in Sachen Preisgeld nicht mit den 100 000 Euro, die es in Götzis zu verteilen gibt, mithalten. Aber vielleicht würde ein anderer Termin, gepaart mit einer Verschärfung der Qualifikations-Richtlinien für deutsche Athleten, dazu beitragen, das eigentlich doch so stimmungsvolle Meeting in Ratingen auch sportlich wieder aufzuwerten.

Verdient hätten es die zahlreichen Zuschauer und die perfekte Organisation allemal.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort