Analyse Stadt-Schulden: Die Aufsicht greift ein

Heiligenhaus · Die Finanzmisere hält an: Kreisdirektor Richter empfiehlt der Stadt in einer Verfügung, die Grundsteuer B im Jahr 2015 nicht zu senken. Das war schon beschlossen, der Rat müsste es zurücknehmen - und unter Umständen einen Nachtragshaushalt verabschieden.

 Im Verwaltungsvorstand müssen Michael Beck, Harald Flügge, Bürgermeister Jan Heinisch und Orga-Chef Reinhold Schmidt (v. l.) neue Überlegungen zur Haushaltssicherung anstellen. Es gibt Auflagen und Hinweise der Kommunalaufsicht.

Im Verwaltungsvorstand müssen Michael Beck, Harald Flügge, Bürgermeister Jan Heinisch und Orga-Chef Reinhold Schmidt (v. l.) neue Überlegungen zur Haushaltssicherung anstellen. Es gibt Auflagen und Hinweise der Kommunalaufsicht.

Foto: A. Blazy

Zum Jahresende holt das Thema "Grundsteuer" Politik und Verwaltung wieder ein. Es ist ein eher unscheinbar benannter Tagesordnungspunkt für den Hauptausschuss am kommenden Mittwoch, der Zündstoff birgt: "Hebesatzsatzung für das Haushaltsjahr 2015". Darin verpackt steckt eine höchst unangenehme Botschaft, nicht nur für die Kämmerei. Auf dem Tisch liegt eine Verfügung der Kommunalaufsicht. Der Briefkopf ("Wir sind das neanderland") klingt darin von allen Formulierungen noch am wenigsten frostig-formal.

Die Stadt ist - bisher unverbindlich - aufgefordert, im kommenden Jahr die Grundsteuer B nicht, wie bereits beschlossen, vom historischen Höchststand - 590 Punkte - wieder auf 550 Punkte zu senken. In Erinnerung sind die betretenen Mienen im Verwaltungsvorstand, der in der entscheidenden Ratssitzung als Antwort auf die Finanzmisere unter anderem diese saftige Steuererhöhung vorzulegen hatte. Nicht aus Neigung, sondern aus Pflicht - und ein Stück Verzweiflung dürfte auch mit im Spiel gewesen sein. Den Besitzer eines Durchschnitts-Eigenheims in Heiligenhaus kostet das rund 200 Euro mehr im Jahr. Bürgermeister Heinisch wertet die aktuelle Anmerkung des Kreisdirektors Martin Richter als "deutlichen, wenn auch nicht verbindlichen Hinweis. Es dürfte allerdings kaum eine Chance für eine andere Lösung geben". Deswegen auch der aktuelle Beschlussvorschlag. Um die Beratungen zu Jahresbeginn 2014 nicht in perspektivloser Tristesse zu beenden, hatte man sich darauf verständigt, die Grundsteuer B im Jahr zwei des Doppelhaushalts, in 2015 also, wieder zu senken. In der Hoffnung auf bessere Zeiten, die nun nachweislich nicht eingetreten sind.

Mit dem Vorschlag zur neuen Satzung reagiert die Stadt auf Richters Verfügung. Erläutert wird das nur knapp: "In der nunmehr vorliegenden Verfügung der Kommunalaufsicht wird aufgrund der äußerst angespannten Finanzlage und der damit verbundenen drohenden Überschuldung empfohlen, auf den Konsolidierungsbeitrag im Bereich der Grundsteuer B in Höhe von rund 0,5 Mio Euro durch die bereits beschlossene Absenkung der Grundsteuer B ab 2015 nicht zu verzichten." Das heißt: Die halbe Million Euro Mehreinnahme muss in der Kasse bleiben. Richter selbst greift in seiner Stellungnahme weiter aus. Die Lektüre der Verfügung dürfte den städtischen Haushältern wenig Vergnügen bereiten, auch wenn sie im Prinzip einen seit Jahren andauernden Zustand beschreibt.

"Die bilanzielle Überschuldung kann für das Jahr 2014 gerade noch abgewendet werden (Eigenkapitalverzehr rund 99 Prozent"), heißt es unmissverständlich in der Bewertung. Zwei Zahlen lassen die ganze Dimension der Misere deutlich werden: Die Stadt verfüge über 580 000 Euro Eigenkapital, im Jahr 2007 waren es noch rund 52 Millionen Euro. Aus solchen Zahlen insgesamt ergeben sich laut Richter "Handlungszwänge". Der Kreis-Kämmerer stellt damit seinem Heiligenhauser Kollegen Michael Beck in keiner Weise ein schlechtes Zeugnis aus, sondern beschreibt im Grunde dessen Zwangslage: "Kämmerer Beck hatte mich über vor Ort bereits eingeleitete, gegensteuernde Maßnahmen informiert. Sie haben dahingehend eine positive Wirkung gezeigt, als dass der zum 30. Juni ursprünglich mitgeteilte negative Saldo des Haushaltsjahres 2014 (Minus: 1,9 Millionen Euro) durch bereits umgesetzte Konsolidierungsmaßnahmen auf ein Minus von etwa 510 000 Euro reduziert werden konnte. Trotzdem bewegt sich die Stadt Heiligenhaus weiterhin am unmittelbaren Rand der bilanziellen Überschuldung." Dies wiederum wäre dann ein Verstoß gegen § 75 Abs. 7 der Gemeindeordnung NRW. Die weitere Perspektive? Düster. O-Ton Richter: "Ertragsplanungen für den Zeitraum bis 2018 könnten in Frage gestellt werden." Nicht unberücksichtigt bleiben dürfe, dass bereits der Eintritt eines Bruchteils der aufgezeigten Risiken den Eintritt der gesetzeswidrigen, bilanziellen Überschuldung bewirken könnte. In Kurzfassung: Die Stadt kann rathausintern sparen bis zum Abwinken - allein reicht das auf Dauer nicht.

(RP)
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