Ratingen Tiefenbroich: Furcht vor Überfremdung

Ratingen · Neben der städtischen Unterkunft wird im Frühjahr auch eine Landeseinrichtung mit bis zu 950 Plätzen eröffnet.

Flüchtlinge: Zelte, Kirchen, Schiffe - hier werden sie untergebracht
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Turnhallen, Kirchen und Schiffe: Wo Flüchtlinge wohnen können

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Foto: dpa, rwe jai

Man könnte eigentlich meinen, dass es keine Frage mehr gibt, die Sozialdezernent Rolf Steuwe zum Thema Flüchtlingsunterkunft ins Stocken bringt. Zu viele Informationsveranstaltungen hat der Erste Beigeordnete in den vergangenen Monaten zusammen mit seinem Sozialamtsleiter Klaus Pakusch und der Integrationsbeauftragten Zeliha Yetik über die Bühne gebracht.

Doch in der Aula der Paul-Maar-Schule, in der es um die städtische Unterkunft an der Christinenstraße ging, die kommende Woche für rund 285 Personen öffnet, schaffte es ein Anlieger tatsächlich, den wie gewohnt sehr souveränen Steuwe kurzzeitig aus der Fassung zu bringen. Eine gezielte Provokation?

"Sagen Sie mal, das sind viele junge Männer, die gewisse Bedürfnisse haben. Kümmert sich die Stadt auch darum?" Auch wenn die Frage für manchen Lacher sorgte, vor dem Hintergrund der Ereignisse in der Silvesternacht zum Beispiel in Köln, dünnes Eis, auf das sich Steuwe begeben musste.

 Rolf Steuwe, Erster Beigeordneter (rechts), informierte mit Klaus Pakusch und Zeliha Yetik die Bürger in Tiefenbroich.

Rolf Steuwe, Erster Beigeordneter (rechts), informierte mit Klaus Pakusch und Zeliha Yetik die Bürger in Tiefenbroich.

Foto: Achim Blazy

Aber - um im Bild zu bleiben - er brach nicht ein, sondern ging in die Offensive: "Wer solche Taten begeht, muss hart bestraft werden, egal ob er Deutscher oder Fremder ist. Aber hier in Ratingen haben wir in keinem Umfeld einer Flüchtlingsunterkunft auch nur eine angezeigte Sexualstraftat gehabt."

Ansonsten waren die Fragen in Tiefenbroich nicht anders als in Hösel oder der Innenstadt. Viele, die gekommen waren, wollten konkret helfen, vor allem die jüngere Generation. Das war auch schon in anderen Stadtteilen deutlich geworden.

Wie beispielsweise unzählige Ehrenamtliche zusammen mit Flüchtlingen in den vergangenen Tagen geholfen hatten, die neue Unterkunft einzurichten. "Es ist grandios, was hier geleistet wurde. Wie ich überhaupt all den Menschen ein großes Kompliment aussprechen muss, für das enorme Engagement im vergangenen Jahr. Ohne diese Hilfe hätten wir die Situation nicht so lösen können", machte Steuwe klar.

In Tiefenbroich mussten er und seine Kollegen sich vor allem mit der Furcht vor Überfremdung auseinandersetzen. Denn neben der städtischen Unterkunft wird dort im Frühjahr auch eine Landeseinrichtung mit bis zu 950 Plätzen eröffnet: "Über 1000 Flüchtlinge in einem Ort mit 7000 Einwohnern ist zu viel", war da zu hören: "In Hösel sind die Leute schon nur bei 150 Amok gelaufen."

Auch das entkräftete Steuwe: "In Hösel ist das Miteinander zwischen Flüchtlingen und Anwohnern sehr gut, es sind Freundschaften entstanden, es wird zusammen gekocht zum Beispiel." Bewundernswert, wie ruhig die Verantwortlichen einmal mehr blieben, egal wie behaftet mit Vorurteilen eine Frage auch war. Kein Wunder, denn die Fragen sind fast immer dieselben - fast.

(wol)
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