Ratingen Totengedenken: Niemand wird vergessen

Ratingen · Zu Allerheiligen werden auf den Friedhöfen die Gräber hergerichtet, die Kerzen angezündet. Doch die Bestattungskultur ändert sich.

 Gärtnerin Esther Neuen-Zinser bepflanzt ein Grab für Herbst und Winter mit Gräsern, Scheinbeere und Silberdraht.

Gärtnerin Esther Neuen-Zinser bepflanzt ein Grab für Herbst und Winter mit Gräsern, Scheinbeere und Silberdraht.

Foto: Blazy, Achim (abz)

Allerheiligen ist so ein Datum, zu dem die Gräber nach dem heiß-nassen Sommer wieder einmal aufgehübscht werden. Das galt vor Jahrzehnten so, das ist auch heute nicht anders. Jetzt lohnt sich die Winterbepflanzung, jetzt sind die Sommerblumen verblüht. Und nicht nur die Ratinger Friedhofsgärtner waren voll beschäftigt, sondern auch all die Angehörigen, die sich um die Gräber ihrer Verstorbenen kümmern.

 Auf dem katholischen Friedhof an der Friedhofstraße werden heute die Gräber gesegnet.

Auf dem katholischen Friedhof an der Friedhofstraße werden heute die Gräber gesegnet.

Foto: achim Blazy

Auf dem katholischen Friedhof an der Friedhofstraße "läuft es jetzt ganz gut", erklärt Bernd-Ulrich Dietz, Kirchenvorstandsmitglied und dort Vorsitzender des Friedhofsausschusses. "Wir haben an zentralen Stellen Gießkannen aufgehängt und stellen Schubkarren bereit, damit die Grabpflege einfacher wird." Nur zum Bau der Parkplätze, die mit katholischer Finanzierung auf evangelischem Boden zu bauen wären, kann sich das Presbyterium nicht durchringen. Dietz hat zudem mit scharfem Blick die Gräber im Auge, hinter denen immer noch mal eine Gießkanne abgestellt wird.

Hinter dem Grab ist nämlich, von einem anderen Standpunkt aus gesehen, vor dem Grab. Und Friedhöfe gelten - nicht nur in Ratingen - als grüne Oasen in der Stadt, auch als Platz, an dem sich Besucher gern aufhalten und sich ausruhen, auf der Bank und vor der ewigen Ruhe.

Das Totengedenken nahe dem Ende des Jahres kannten schon die Römer. Das Allerheiligenfest hat seinen Ursprung in der frühchristlichen Märtyrer-Verehrung: Im Jahr 835 legt Papst Gregor den 1. November als Gedenktag fest, für alle Heiligen, und nicht mehr nur für Märtyrer. Der 1. November war damals gleichzeitig sowohl Winteranfang als auch Jahresbeginn, vor allem der Anfang des Wirtschaftsjahres.

In einem Bereich des katholischen Friedhofs hat die Verwaltung einige Grabmale aufgestellt, die von aufgegebenen Gräbern stammen und den zufälligen Betrachtern nicht nur die Friedhofskultur des 19. Jahrhunderts vor Augen führen, sondern auch für Historiker interessant sind. Am Beispiel des jüdischen Friedhofs am Blomericher Weg hat sich gezeigt, dass Inschriften und Namen eine Fülle an Rückschlüssen ermöglichen und Türen für die Geschichtsforschung öffnen.

Das können anonyme Bestattungen nicht leisten. "Wer wird sich um mein Grab kümmern, wenn ich gestorben bin?" Diese Sorge bewegt immer mehr Menschen, die keine direkten Nachkommen haben, deren nächste Angehörige weit weg wohnen und die postum "keine Arbeit machen wollen".

Damit nicht noch ein verwahrlostes Grab mehr einen traurigen Anblick bietet, empfiehlt die katholische Pfarrei St. Peter und Paul eine Bestattung auf Flächen, die mit Rasen oder Dauergrünpflanzen von der Gemeinde angelegt und unterhalten werden. Angehörige brauchen sich also nicht mehr zu kümmern. Für Blumenschmuck oder Grablichter gibt es zentrale Stellen, meistens um ein von der Gemeinde ausgewähltes Grabmal.

Die Pfarre schreibt in einem Ratgeber: "Diese Grabstellen, sowohl für Särge wie auch für Urnen, werden mit Grabplatten versehen, die einheitlich gestaltet, mit dem Namen der Verstorbenen beschriftet und in die Rasenfläche eingelassen werden. Ausschließlich für Urnen kann die Bestattung so erfolgen, nur werden dann die Namen auf einer Stele ausgewiesen. Diese Art der Bestattung ist unsere Alternative zur anonymen Bestattung, die unsere Kirche nicht erlaubt". Und es heißt dort: "An der Bestattungskultur eines Landes kann man immer auch die Wertschätzung gegenüber dem Leben erkennen."

Dennoch wird niemand vergessen; die einen haben Heidekraut, Scheinbeere und Silberblatt auf dem Grab und Zen-mäßig geharkten Torf. Ihrer und der anderen wird bei der Heiligen Messe am morgigen Allerseelentag um 18 Uhr in St. Peter und Paul gedacht - bei einem Requiem für alle Verstorbenen des Jahres. Und am Dienstag, 4. November, hält Pastor Schilling in der Friedhofskapelle um 13 Uhr eine Andacht für die Wohnungslosen, die 2014 verstorben sind.

(RP)
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