Ratingen Unter Wert verkauft

Düsseldorf · Die Stadt könnte gemäß ihrer Gebührensatzung für die Sonderausstellung mit Fotografien von Dieter Nuhr fünf Euro Eintritt nehmen. Aber sie nimmt nur drei. Dabei hat das Museum jeden Euro bitter nötig.

 Dieter Nuhr: "Ich habe ein bisschen in der Bibel gelesen, ein bisschen im Koran und auch in der 'Bild'-Zeitung."

Dieter Nuhr: "Ich habe ein bisschen in der Bibel gelesen, ein bisschen im Koran und auch in der 'Bild'-Zeitung."

Foto: ddp

"Für Sonderausstellungen von besonderer Bedeutung setzt das Museum der Stadt Ratingen die Eintrittspreise entsprechend den Kosten, maximal 5 Euro, fest", heißt es in der Ordnung der Stadt über die privatrechtlichen Entgelte des Stadtmuseums.

Schon für die vorbildlich inszenierte, aufwändige Goya-Schau, die über 4000 Besucher sahen und die im Gästebuch als "Ein Jahrhundert-Ereignis. Der nackte Wahnsinn in Ratingen" gefeiert wurde, hätte man also ohne große verwaltungstechnische Verrenkungen fünf statt drei Euro Eintritt nehmen können.

Wenn der deutschlandweit bekannte Kabarettist und Comedian Dieter Nuhr sich ab dem 3. März erstmals als Fotograf der Öffentlichkeit präsentiert, und das ausgerechnet im Ratinger Stadtmuseum, verzichtet die Stadt erneut auf Mehreinnahmen. Denn sogar für diese "Deutschlandpremiere", wie sie in ihrer eigenen Presseinformation schreibt, werden wiederum nur drei Euro (ermäßigt 1,50 Euro) Eintritt verlangt, obwohl der Museumsetat gerade erst um zehn Prozent gekürzt worden ist. Und obwohl kein Geld da ist, um die Modernisierung des Hauses in Angriff zu nehmen. Verstehe einer diese Stadt.

Von Steuergeldern finanziert

"Ein städtisches Museum hat nicht nur wirtschaftliche Vorgaben, sondern auch einen kulturellen, pädagogischen und sozialen Auftrag", begründet Kulturdezernent Dirk Tratzig den niedrigen Eintrittspreis. Im Kern hat er damit zutiefst Recht. Ein Stadtmuseum wird von Steuergeldern finanziert und darf mit seinen Eintrittspreisen die Bürger dieser Stadt nicht überfordern.

Aber der "kulturelle, pädagogische und soziale Auftrag" beinhaltet nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine inhaltliche Verpflichtung. Den Eintrittspreis für Sonderausstellungen niedrig halten, aber dahinter das eigentliche Museum optisch und inhaltlich verkommen lassen, kann nicht gerade als mustergültige Erfüllung besagten Auftrags betrachtet werden.

Mit dem Erlös aus den Sonderausstellungen könnte auch etwas für das Herzstück Stadtgeschichte, das allen Bürgern frei zugänglich ist und dringend neu aufgearbeitet werden müsste, getan werden. Dafür darf man, wie es andere Häuser, darunter viele mit wesentlich besserer finanzieller Grundausstattung, längst tun, fünf Euro Eintritt von denen nehmen, die es entbehren können. Für alle anderen wurde das ausgleichende Prinzip "ermäßigter Eintrittspreis" erfunden.

Auch eine Spendenbox, für die begeisterte Besucher hier und da gewiss etwas springen lassen, gehört längst ins Museumsfoyer. Kulturdezernent Tratzig hält dies für "wenig stilvoll". Museumsgänger wissen: In vielen anderen Museen, kleinen wie ganz großen, duckt man sich nicht weg wie in Ratingen. Längst sind dort Spendenboxen aufgestellt, und man bekennt offensiv, dass der niedrige Eintritt — in der Mehrzahl übrigens fünf Euro — nur zu halten ist, wenn zugleich Spenden fließen. Vielleicht lässt sich sogar ein Großsponsor eher gewinnen, wenn er den Eindruck hat, dass im Haus auch wirtschaftlich gedacht und gehandelt wird.

Das Haus ist abgewirtschaftet

Die großen Ausstellungen sind wichtig für das Profil des Museums und für seine Kasse. Das Haus ist abgewirtschaftet und bedarf, um seinen sozialen, kulturellen und pädagogischen Auftrag auf zeitgemäßem Niveau erfüllen zu können, dringend einer Neustrukturierung, eines roten Fadens, der den Besuchern Orientierung gibt und die Museumsvisite auch ohne die Hilfe eines pfiffigen Führers zu einem Erlebnis werden lässt — zu einem Bildungserlebnis, das anregt, und auch zu einem ästhetischen Erlebnis.

Die Leiterin Melanie Ehler hat genau dies im Sinn und nimmt dabei alle Abteilungen in den Blick. Sie will sich nicht nur mit Sonderausstellungen schmücken, sondern alle Bereiche modernisieren und zueinander in Beziehung setzen. Dafür braucht sie Geld. In Anbetracht der Haushaltslage wird sie lange sammeln müssen, bevor es losgehen kann. Für diese Sammlung könnte sich die Sonderausstellung mit Dieter Nuhr zumindest teilweise segensreich auswirken, wenn man sie als Einnahmequelle zu nutzen weiß. Nuhr ist bekannt, hat viele Fans und entsprechend viel Aufmerksamkeit in den Medien, von der jetzt auch Ratingen profitieren wird.

Bislang hat sich noch niemand aus Verwaltung oder Politik mit Finanzierungs-Ideen für das Stadtmuseum nach vorne gedrängt. Solange hier nichts passiert, hat das Haus jeden Euro bitter nötig. Wenn die Nuhr-Ausstellung gelaufen ist und die Besucher ausgezählt sind, wird sich zeigen, wie viel Geld die Stadt bei einem Eintrittspreis von fünf Euro zusätzlich verdient hätte. Kulturdezernent Tratzig, dessen Aufgabe es ist, sich um das Wohl des Hauses zu kümmern, unterschätzt geradezu leichtfertig die Bedeutung solch exklusiver und populärer Sonderausstellungen, mit denen das Museum punkten kann — auch wirtschaftlich.

(RP)
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