Kreis Mettmann Wenn die Muskeln unter Strom stehen

Kreis Mettmann · Im Trend: elektronische Muskelstimulation, EMS-Training genannt. Ein Selbstversuch.

 Studio-Betreiberin Sabrina Fröhlen demonstriert, wie das Training mit elektronischer Muskelstimulation funktioniert. Im EMS-Anzug steckt ihre Mutter Sonja.

Studio-Betreiberin Sabrina Fröhlen demonstriert, wie das Training mit elektronischer Muskelstimulation funktioniert. Im EMS-Anzug steckt ihre Mutter Sonja.

Foto: RALPH MATZERATH

Der erste Gedanke ist: Ich krieg keine Luft mehr! Beim zweiten Gedanken bin ich schon etwas entspannter. Das erste EMS-Training ist eine ganz neue Erfahrung von körperlicher Betätigung. EMS heißt der Trend, dank elektronischer Stimulation in kurzer Zeit Muskelmasse aufzubauen. 20 Minuten lang zwängt man sich in ein enges Korsett mit Oberschenkel- und Armbandagen, die gut angefeuchtet über einer Art Radlerdress getragen und per Kabel an ein elektronisches Steuerungsgerät angeschlossen werden. Eine Personal-Trainerin, in diesem Fall Sabrina Fröhlen vom Studio Körperformen in Monheim, steuert in Absprache mit ihren Kunden die Stärke der Impulse. "Es soll spürbar kribbeln, aber auf keinen Fall weh tun", sagt sie.

Die 29-Jährige studiert Fitness-Ökonomie an der privaten Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement mit Sitz in Saarbrücken. Jetzt hat sie parallel dazu ihr EMS-Studio an der Mittelstraße eröffnet. Während ich mit kribbelnder Oberschenkel-, Bauch-, Rücken-, Brust- und Oberarmmuskulatur in meinem sehr stramm sitzenden Outfit mit Kniebeugen und Einbeinstand gegen die Muskel-Stimulation halte, erklärt sie den Sinn und Zweck des neuen Fitness-Trends. "Es werden alle großen Muskelgruppen gleichzeitig trainiert", auch die Tiefenmuskulatur. Sehr angenehm: Fröhlen schildert die Erfolge realistisch: "Das hier ist keine Wundermaschine, die das Fett absaugt. Und EMS ersetzt auch nicht ein Ausdauertraining wie Intervall-Walking". Aber: Nach vier bis acht Einheiten soll Fett spürbar in Muskulatur verwandelt werden, Rückenschmerzen und Verspannungen sollen gelöst werden. Das Training sei gelenkschonend. Wer nicht so lange stehend seine Übungen machen kann, kann sie auch liegend erledigen. EMS eignet sich zur Reha nach Knie-OPs beispielsweise oder nach Bandscheibenvorfällen genauso wie aus ästhetischen Gründen, sagt Fröhlen.

In nahezu allen Städten des Kreises schießen EMS-Studios derzeit wie Pilze aus dem Boden. In 20 Minuten das schaffen, wofür man im normalen Kraftstudio anderthalb Stunden braucht - so wird mancherorts geworben. Laut Fröhlen genügt es, einmal in der Woche zu trainieren. Sie rät, vorher ausreichend zu essen und vor allem Wasser zu trinken. Immerhin verbrenne man bei einer Sitzung bis zu 500 Kilokalorien.

Bei David Steinleger und David Wicki vom neuen "Revolution-Studio" an der Ganspohler Straße in Langenfeld erlebt der Kunde ein kabelloses "Full-Body-Workout". Das heißt: Man kann sich trotz der stimulierenden Elektroden frei bewegen. "Wir gehören keiner Kette an, sondern haben unser Konzept selbst entwickelt", sagt David Steinleger. Bei ihm wird mit Lang- und Kurzhantel sowie auf dem Laufband trainiert. "Mit EMS ist man 18-mal effektiver als bei normalem Krafttraining", erklärt er. Klingt nach Popeye und dessen wundersamen Matrosenspinat. Auch im "Revolution-Studio" reichen laut Werbung 20 Minuten, ein- bis dreimal pro Woche. Die Kunden sind zwischen 18 und 80. "Hier kann man zunehmen, abnehmen, Nackenprobleme beheben und nach Unfällen Muskulatur aufbauen", sagt Steinleger.

"Terra Sports" in Hilden ist quasi schon ein alter Hase in Sachen elektronischer Muskelstimulation. Seit zwei Jahren können dort vielbeschäftigte Menschen mit wenig Zeit für Sport an sich arbeiten. "Einmal pro Woche reicht", sagt Trainer Junos Kizilisika. In der Regel werden zwei Personen parallel unter Aufsicht der Trainer "unter Strom gesetzt".

Nach einer guten Viertelstunde Balance- und Streckübungen unter Muskelkribbeln lässt sich sagen: Es war anstrengender als gedacht. Allerdings geschwitzt habe ich nicht, aber ein Gefühl, als hätte ich tatsächlich mindestens eine Stunde intensiv in der Muckibude geackert.

Doch Vorsicht: Das Training, das ursprünglich für Astronauten entwickelt wurde, kann, wenn man es übertreibt, Nierenschäden verursachen. Das sagen Ärzte. Ein sehr heftiges Muskeltraining führt zu einer erhöhten Ausschüttung von Ceratin-Kinase. Dieser Stoff ist bei starkem Muskelkater im Blut nachweisbar. Er muss über die Nieren abgebaut werden und ist beim EMS laut Sporthochschule Köln bis zu 18 Mal höher als bei einem konventionellen Training. Die Kosten liegen in der Regel um 20 Euro pro Stunde. Das umfangreichere Angebot bei "Revolution" ist etwas teurer.

(RP)
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